Urheberrechtsreform: Wenn der Internetprotest ins Bierzelt kommt

Mehrere Hundert Menschen demonstrierten am 6. März in Hannover vor der CDU-Zentrale. Alle Rechte vorbehalten @Lalelein24 Die Proteste gegen Uploadfiter in der EU-Urheberrechtsreform ebben nicht ab. Nach den gestrigen Protesten vor den CDU-Zentralen in Hannover und Hamburg mit jeweils mehreren hundert Teilnehmenden, kündigten Aktivisten alleine in den letzten 24 Stunden für das Wochenende drei neue Demonstrationen an.

So werden nun am Samstag in Köln, Leipzig, Magdeburg und Kassel Proteste erwartet. In Köln sind die Gegner der Urheberrechtsreform seit Mitte Februar schon dreimal auf die Straße gegangen – und hatten jeweils tausende mobilisiert. Wir haben alle uns bekannten Demonstrationen und Termine in einer Liste gesammelt.

Protestaktion im Bierzelt

Zu einer Protestaktion kam es auch beim Politischen Aschermittwoch der CDU im nordrheinwestfälischen Recke . Dort war der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber als Hauptredner angekündigt. Nicht angekündigt hatten sich etwa 15 Demonstrant:innen, die im geschmückten Bierzelt lautstark gegen Uploadfilter protestierten (Video) . Die Anhänger der Union reagierten empört, rissen den Protestierenden Plakate und Transparente aus der Hand. Angeblich nahm die Polizei später die Personalien von Beteiligten auf.

Nach Angaben eines Demonstranten waren insgesamt 50 Menschen an der Aktion beteiligt, der Großteil war von der Security nicht ins Bierzelt gelassen worden. Laut „IVZ aktuell“ soll Manfred Weber die Demonstranten mit den Worten „Demokraten hören einander zu“ kritisiert haben. Zur Erinnerung: Er wollte die europaweiten Proteste durch eine Vorverlegung des Abstimmungstermins im Europaparlament umgehen.

Webers Plan, die Abstimmung zu verlegen, wurde von verschiedener Seite als „demokratieverachtend“ bezeichnet und hatte am Dienstag Abend tausende Menschen in kurzfristig angesagten Demonstrationen auf die Straßen und vor die CDU-Zentralen getrieben .

#no13 – Dezentrale Proteste aus den Fenstern

Zu dezentralen Protesten unter dem Hashtag #no13 mit Plakaten, Schildern und Transparenten an Fenstern hat der Musiker und Produzent Bruno Kramm aufgerufen .

Die Mitmach-Aktion soll den Protest gegen die Urheberrechtsreform im Stadtbild und auf den Straßen unter dem Hashtag #no13 sichtbar machen und auf allen sozialen Netzwerken stattfinden. Die Zahl 13 bezieht sich auf den besonders umstrittenen Artikel 13 der Reform, der zum Einsatz von Uploadfiltern führen wird.

Als Gast beim Podcast Logbuch:Netzpolitik habe ich mit Tim Pritlove und Linus Neumann über die Protestbewegung und die neuesten Entwicklungen ausführlich gesprochen.

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Was vom Tage übrig blieb: Cyber-Attacken, Elysium-Ende und 5G-Auktion

Wenn uns zu dem Bild die Melodie von “Über den Wolken” einfällt – begehen wir dann eine Urheberrechtsverletzung?Phishing attacks using third-party applications against Egyptian civil society organizations (Amnesty International)

Cyber-Angriffe auf ägyptische Menschenrechtsaktivist:innen sind vermutlich durch staatliche Stellen unterstützt worden. Amnesty International berichtet, dass es seit Anfang Januar 2019 wohl mehrere Attacken gegen E-Mail-Konten von Aktivist:innen und NGOs gab. Der Report fasst die Ereignisse zusammen und zeigt anschaulich, wie solche Attacken aussehen können.

Jagd auf ‚Elysium‘: Das Ende der größten deutschen Kinderporno-Plattform (Vice)

Heute fielen die vorerst letzten Urteile im Prozess um die Darknet-Seite Elysium, auf der sich Kinderschänder organisierten und Bildmaterial über Vergewaltigungen austauschten. Theresa Locker und Max Hoppenstedt beschreiben für Vice die Betreiber, die Szene und die technischen Tricks der Polizei.

Bundesregierung will lokales Roaming erst nach der 5G-Auktion beschließen (Handelsblatt)

Es klang von Anfang an wie eine Nebelkerze, jetzt dürfte das Thema aber bis auf Weiteres vom Tisch sein: In letzter Sekunde – immerhin soll die Versteigerung der 5G-Frequenzen am 19. März beginnen – wollte die Bundesregierung noch mit einer Novelle lokales Roaming gesetzlich festschreiben, um unterm Strich eine bessere Mobilversorgung und mehr Wettbewerb zu erreichen. Was wir selbst schon in den letzten Tagen gehört haben, bestätigt nun das Handelsblatt. Angeblich soll die Gesetzesänderung aber einfach später kommen – wenn die Frequenzen bereits vergeben sind.

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#Artikel 6: Ausschuss des EU-Parlaments lehnt Uploadfilter im Kampf gegen Terrorpropaganda ab

Laut EU-Kommission und den Mitgliedstaaten ist Terrorpropaganda im Internet ein großes Problem. Eine EU-Verordnung soll solche Inhalte aus dem Netz fegen, um die Bürger zu schützen, gefährdet dabei aber die Meinungs- und Informationsfreiheit. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Oscar Keys Nur selten schaffen es Paragraphen oder Artikel eines Gesetzes, zum weithin bekannten Schlagwort zu werden – zuletzt etwa der § 219a oder der Artikel 13 aus der EU-Urheberrechtsrichtlinie . Letzterer sorgt derzeit für Demonstrationen in ganz Deutschland , weil die darin enthaltenen Uploadfilter jeden einzelnen Inhalt auf seine Rechtmäßigkeit prüfen sollen, bevor er auf einer Online-Plattform erscheinen kann. „Man schießt mit der Schrotflinte Artikel 13 auf Youtube und Facebook und trifft aber leider noch das halbe Internet dazu“, warnte jüngst der netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl vor den brandgefährlichen Nebenwirkungen des Gesetzes.

Weniger bekannt ist hingegen der Artikel 6 aus dem gegenwärtig verhandelten Verordnungsentwurf der EU-Kommission , der die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet verhindern soll. Auch dieser sieht Uploadfilter vor – bloß dass diese nicht nur bestimmte Plattformen betreffen würden, sondern für alle in Europa tätigen Diensteanbieter verpflichtend angeordnet werden können. Darüber hinaus müssten sämtliche Online-Dienste, ob eine große Plattform wie Facebook oder ein kleines Blog wie netzpolitik.org, innerhalb einer Stunde auf Entfernungsanordnungen reagieren, um von Nutzern hinterlassene, mutmaßlich terroristische Inhalte zu löschen.

Flurschaden für die Meinungs- und Informationsfreiheit

Das würde nicht das halbe, sondern das ganze Internet unter die Räder kommen lassen und das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit empfindlich einschränken. Denn zum einen ist „Terrorismus“ ein unscharfer Begriff, der etwa auf Aktionen zivilen Ungehorsams wie beispielsweise gegen die Rodung des Hambacher Forsts angewendet werden könnte. Zum anderen neigen automatisierte Filtersysteme zu Fehlern, weil sie den Kontext von Inhalten nicht einschätzen und beispielsweise bei wissenschaftlicher oder journalistischer Berichterstattung anschlagen . Und Anbieter könnten im Zweifel lieber zu viel als zu wenig löschen, um den drohenden Geldbußen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes zu entgehen.

Kein Wunder, dass der Vorschlag auf heftigen Widerstand stößt. Der kommt unter anderem aus der Zivilgesellschaft , aus der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte , aus der Internet-Wirtschaft , von UN-Sonderberichterstattern – und jetzt auch aus dem EU-Parlament, das derzeit seine Position klärt, bevor es in die Verhandlungen mit der Kommission und dem Rat gehen kann. Am Montag hat der Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des EU-Parlaments (IMCO) als erster beratender Ausschuss seinen Bericht beschlossen und sich mit überwältigender Mehrheit gegen die Vorab-Kontrolle aller Inhalte ausgesprochen.

Zielgerichtete statt automatisierte Maßnahmen

Anstatt im Kampf gegen mutmaßlich terroristische Inhalte im Internet auf sogenannte „proaktive Maßnahmen“ zu setzen – also von Künstlicher Intelligenz gestützte Uploadfilter, die solche Inhalte schon im Vorfeld selbstständig und automatisiert erkennen und ein Hochladen auf Online-Plattformen unterbinden –, schlägt der Bericht zielgerichtete und „spezifische Maßnahmen“ vor. Zudem stellt er klar, dass die Vorschriften „keine automatisierten Inhaltefilter oder andere Maßnahmen enthalten sollen, die ein systematisches Monitoring von Nutzerverhalten beinhalten“ (unsere eigene, nicht-juristische Übersetzung aus dem Englischen ).

Neben dem neu gefassten Artikel 6 entschärft der unter der Federführung der Berichterstatterin Julia Reda (Piraten/Grüne Fraktion) erstellte Bericht auch die insbesondere für kleinere Anbieter kaum umsetzbare, kurze Löschfrist. Statt einer harten Grenze von einer Stunde gibt der IMCO-Vorschlag den Anbietern mindestens acht Stunden Zeit, um Löschgesuchen „unverzüglich“ nachzukommen.

Das schützt nicht nur kleinere Anbieter, sondern macht die Verordnung obendrein kompatibel mit der E-Commerce-Richtlinie. Diese verbietet es den Mitgliedstaaten, Anbietern allgemeine Überwachungspflichten aufzuerlegen und regelt zudem das „Notice & Takedown“-Verfahren. Dieses Regelwerk, das die Grundlage für den rechtssicheren Betrieb von Online-Diensten bildet, kommt zwar in letzter Zeit immer heftiger unter Beschuss und dürfte in der kommenden Legislaturperiode überarbeitet werden. Bis es aber soweit ist, verlagern immer mehr EU-Gesetze durch die Aushöhlung dieses Prinzips Haftungsfragen zunehmend auf die Plattformbetreiber. Und das wiederum führt zur sogenannten „privatisierten Rechtsdurchsetzung“, die sich jeglicher demokratischen Kontrolle entzieht.

Die Zeit wird knapp

Die Stellungnahme des IMCO-Ausschusses ist nun das erste offizielle Signal, dass das EU-Parlament die Verordnung nicht im Schnellverfahren durchwinken könnte – selbst wenn der Ausschuss lediglich beratend und nicht federführend für die Position der Abgeordneten verantwortlich ist. Der Hauptverhandler des Parlaments im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE), der konservative Brite Daniel Dalton , gibt sich zwar zuversichtlich, den LIBE-Bericht noch in dieser Legislaturperiode festzurren zu können – die Abstimmung für den finalen LIBE-Bericht ist weiterhin für den 21. März angesetzt.

Doch das wäre erst der Startschuss für den Trilog, also die Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und dem Parlament. Wie diese verlaufen werden, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen, wird aber maßgeblich vom Inhalt des LIBE-Berichts abhängen. Und davon, ob sich die Abgeordneten dem Druck der Kommission beugen werden, der es nicht schnell genug gehen kann, sowohl bei der Verabschiedung des Gesetzes als auch bei der Entfernung möglicherweise illegaler Inhalte.

Denn neben Artikel 6 mit seinen Uploadfiltern sind auch die Artikel 4 und 5 problematisch, die den Prozess für eine mögliche Entfernung von Inhalten regeln. Beide Artikel sehen keine Kontrolle durch einen unabhängigen Richter vor, sondern verlassen sich auf die Einschätzung der Ermittlungsbehörden oder gar nur der privaten Plattformbetreiber selbst, ob nun ein bestimmter Inhalt illegal ist oder nicht. Auch an dieser Stelle bessert der IMCO-Bericht nach und schlägt zumindest eine nachträgliche, rechtsstaatliche Überprüfung von Entfernungsanordnungen vor. Das soll die Verschicker solcher Meldungen anregen, sorgfältig zu arbeiten, heißt es aus dem Parlament.

Die EU-Kommission hat solche Bedenken augenscheinlich nicht. So sagte etwa gestern der Kommissionsbeamte Hans Das vom Generaldirektorat für Migration und Inneres bei einer Veranstaltung zur geplanten Verordnung : „Online gibt es so viel Terrorpropaganda, die so schnell recycelt wird. Es wäre total irrational, die Beweisführung [ob es sich um einen tatsächlich illegalen Inhalt handelt] den Ermittlungsbehörden und den Gerichten aufzuhalsen“.

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Plattformen: Die Zukunft von Notice & Takedown in Europa

Daten sind nicht das neue Öl. Aber Bohrplattformen wie diese können dennoch als Metapher für Online-Plattformen dienen. CC-BY 4.0 Divulgação Petrobras / ABr Kirsten Fiedler ist Senior Policy and Campaigns Manager bei European Digital Rights (EDRi), einer zivilgesellschaftlichen Organisation für digitale Rechte mit Sitz in Brüssel. Kirsten ist eine langjährige Autorin bei netzpolitik.org .

In Brüsseler Fluren sorgt die Marktmacht und Dominanz der Datenkonzerne Google und Facebook für immer größeren Missmut. Die Frage, wie solche Plattformen reguliert werden sollten und vor allem wie diese mit vermeintlich illegalen Inhalten umgehen, füllt ganze Konferenzräume. Noch gibt es keine konkreten Vorschläge, aber seit mehreren Monaten wird gemunkelt, dass die e-Commerce-Regeln in Europa kommende Legislaturperiode geändert werden sollen. Plattform-Regulierung ist mehr als ein Schlagwort: Das Thema konkretisiert sich und könnte in der Tat zur nächsten großen Lobby-Schlacht werden.

Worum es geht

Die e-Commerce-Richtlinie (2000/31/EC ) der Europäischen Union regelt zentrale Fragen rund um den elektronischen Geschäftsverkehr und vor allem die Haftung und Verantwortlichkeit von Providern.

Die Richtlinie bietet Diensteanbietern seit mehr als 15 Jahren einen sicheren Hafen. Sie schreibt vor, dass Anbieter unter bestimmten Bedingungen nicht für die Inhalte verantwortlich sind, die Nutzer*innen bei ihnen hochladen und teilen. Die Regel hat dazu beigetragen, dass sich das Internet revolutionär entwickeln konnte. Durch sie müssen Anbieter nicht fürchten, für jede Rechtswidrigkeit ihrer Nutzer vor Gericht geschleppt zu werden.

Die Richtlinie erklärt (Erwägungsgrund 40):

„Die Diensteanbieter sind unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, tätig zu werden, um rechtswidrige Tätigkeiten zu verhindern oder abzustellen. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten eine geeignete Grundlage für die Entwicklung rasch und zuverlässig wirkender Verfahren zur Entfernung unerlaubter Informationen und zur Sperrung des Zugangs zu ihnen bilden.“

Was ist „Notice & Takedown“?

Die e-Commerce Richtlinie hat in Europa indirekt ein sogenanntes „Notice & Takedown“-Verfahren eingerichtet. Laut Artikel 14 dieser Richtlinie können Provider von einer Haftungsbefreiung profitieren, wenn sie den Zugang zu Informationen schnellstmöglich entfernen oder deaktivieren, sobald sie Kenntnis von deren rechtswidrigem Charakter erlangen. Die Regeln gelten für jegliche Art von illegalen oder rechtswidrigen Inhalten.

Zudem bestimmt Artikel 15 der Richtlinie, dass Diensteanbieter nicht zur Internetpolizei ernannt werden dürfen – jedenfalls dürfen sie nicht zu einer allgemeinen, aktiven Überwachung aller Inhalte gezwungen werden.

Trotz der weiten Verbreitung bezeichnet der Begriff „Notice und Takedown“ nur eine von vielen Mechanismen, die ein Provider ergreifen kann. Passender wäre eigentlich „Notice und Action“, da der Begriff die verschiedenen Verfahren umfasst, um illegale oder rechtsverletzende Inhalte von ihren Plattformen aufgrund von einer erhaltenen Meldung zu beseitigen. Provider können auf unterschiedliche Weise auf Meldungen reagieren. Sie können entweder sofort handeln und den Inhalt sperren oder blockieren, oder auf eine Antwort des Nutzers oder der Nutzerin warten und entsprechend reagieren, nachdem sie per Gegen-Meldung eine Verteidigung erhalten haben.

Grundrechte und Kollateralschäden

„Notice und Action“-Mechanismen haben eine direkt Auswirkung auf die Meinungsfreiheit, da sie regeln, wie Inhalte aus dem Netz entfernt oder gesperrt werden sollen. Von Providern wird seit der e-Commerce Richtlinie erwartet, dass sie über die konkurrierende Rechte und Interessen entscheiden. Dies ist natürlich insofern problematisch, da Privatunternehmen nicht qualifiziert sind, Gerichte in einer derart wichtigen Aufgabe zu ersetzen. Dies wird auch oft als „privatisierte Rechtsdurchsetzung“ bezeichnet.

Weigern sich Plattformen, Inhalte zu löschen, laufen sie in Gefahr, für diese Inhalte haftbar zu werden. Gewinnorientierte Unternehmen wollen Kosten minimieren und vermeiden nach Möglichkeit Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsverfahren. Daher ist es wahrscheinlich, dass eine Plattform ein Verfahren anwendet, das eher zu viel als zu wenig löscht. Es ist nicht verwunderlich, dass in vielen Fällen die Prüfung des möglichen illegalen Charakters des Inhalts und die Abwägung der betroffenen Rechte minimal sind. Dies dürfte zur präventiven Übersperrung von völlig legitimen Inhalten führen, auch „Overblocking“ genannt.

Schließlich sind die internen Prozesse der großen Plattformen intransparent. Das macht es unmöglich, objektiv zu analysieren, wie effektiv oder präzise die von ihnen geschaffenen Maßnahmen sind.

Wohin die Reise geht

Seit der e-Commerce Richtlinie haben einige wenige Plattformen im Internet eine große Marktmacht erlangt, sie nehmen eine immer aktivere Rolle ein und verfügen über unglaubliche Mittel – technologisch wie auch finanziell. Es stellt sich also immer mehr die Frage, ob die Regeln zum Haftungsausschluss noch zeitgerecht und sind.

Hinzu kommt ein kontroverser Trend auf EU-Ebene, der die Regeln der e-Commerce über den Haufen wirft: Plattformen müssen vermutlich bald proaktive Maßnahmen einsetzen, um Inhalte zu identifizieren und zu filtern, oder den Zugang zu ihnen zu sperren – was meist automatisierte Technologien, etwa Uploadfilter , bedeutet.

Die EU-Kommission schlug in den vergangenen Jahren mehrfach Regelungen vor, die auf automatisierten Systeme hinauslaufen. Ein Beispiel ist die Urheberrechtsreform, aber auch die Revision der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und der Vorschlag zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte . Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit wäre es ratsam, den horizontal geltenden sicheren Hafen für Provider nicht abzuschaffen – jedoch wird dieser bereits durch die genannten legislativen Initiativen vertikal ausgehebelt.

Die Frage ist also nun, wie die e-Commerce Richtlinie überarbeitet wird. Fest steht, dass eine Revision auch Chancen bietet. Bisher unklare Begriffe könnten geklärt, es könnte endlich harmonisiert sowie mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Es könnte endlich ein weitaus klareres, abgestuftes System für Europa eingeführt werden, das die Meinungsfreiheit wahrt und Vorschläge der Zivilgesellschaft sowie aus der Wissenschaft beachtet. Ein Beispiel dafür sind die Manila Principles oder die Santa Clara Principles .

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Kennzeichenerfassung: Brandenburg speichert Autofahrten auf Vorrat

TraffiDesk: Auswertesoftware für Verkehrsverstöße. Alle Rechte vorbehalten Jenoptik In Brandenburg werden Kfz-Kennzeichen nicht nur nach Verdächtigen gerastert, sondern auch auf Vorrat gespeichert. Gestern haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin zugegeben:

Das vom Tatverdächtigen genutzte Fahrzeug […] wurde am Tag des Verschwindens Rebeccas von einer Verkehrsüberwachungsanlage auf der Bundesautobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt/Oder, am Montag, den 18. Februar 2019, um 10.47 Uhr und am darauf folgenden Tag, Dienstag, den 19. Februar 2019, um 22.39 Uhr, festgestellt.

Schon 2012 haben wir enthüllt , dass in Brandenburg Kennzeichen-Scanner nicht nur vorher definierte Kennzeichen suchen, sondern mit einen „Aufzeichnungsmodus“ auch sämtliche Kennzeichen speichern können.

Ein Jahr später haben wir die Standorte der vier stationären Geräte veröffentlicht , darunter auch das aktuell diskutierte auf der Autobahn 12 . Laut Journalisten ist die Polizei Brandenburg jetzt „stinksauer“ , weil ihre Kollegen in Berlin das nun erneut öffentlich bekannt gemacht haben.

Wie lange die Kennzeichen gespeichert werden, konnte uns auf Anhieb niemand sagen.

Straßenabschnitte flächendeckend erfasst

Schon 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht eine „automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen“ nur unter strengen Auflagen erlaubt . Es ist strittig, ob das Brandenburger System mit diesen Vorgaben vereinbar ist. Vor wenigen Wochen hatte das oberste Gericht zwei weitere Aspekte von Kennzeichen-Scannern für teilweise verfassungswidrig erklärt .

Auch die Landesdatenschutzbeauftragte Brandenburg prüft das System, seit vier Jahren . Sie geht davon aus , „dass die Kameras ständig Kennzeichen aufzeichnen und daher bestimmte Straßenabschnitte entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts flächendeckend erfasst werden.“ Die Prüfbehörde hatte Mängel gerügt und „eine andere Rechtsmeinung als die Polizei“ vertreten.

Die Prüfung war damals noch nicht abgeschlossen : „Eine abschließende Prüfung und Bewertung der technisch-organisatorischen Ausgestaltung des Systems steht daher noch aus.“ Ob diese Prüfung mittlerweile abgeschlossen ist, konnte ein Sprecher der Landesdatenschutzbeauftragten auf Anfrage nicht sagen.

Sachverhalt wird geprüft

Auf Anfrage von netzpolitik.org haben Polizei und Politik in Berlin auf Brandenburg verwiesen. Die Polizei Brandenburg hat auf unsere Anfrage bisher nicht geantwortet. Ein Sprecher der Landesdatenschutzbeauftragten Brandenburg antwortete:

Den von Ihnen geschilderten Sachverhalt kennen wir bislang nur aus den Veröffentlichungen des gestrigen Tages; auch sind dazu Anfragen von Bürgern bei uns eingegangen. Darüber hinausgehende Informationen liegen uns nicht vor, wir gehen jedoch davon aus, dass es sich um das Kennzeichenerfassungssystem KESY handelt. Um eine datenschutzrechtliche Einschätzung des Sachverhalts vornehmen zu können, bitten wir das Polizeipräsidium Brandenburg heute um eine Stellungnahme.

Die Zulässigkeit der Kennzeichenerfassung bemisst sich unter anderem daran, auf welcher Rechtsgrundlage sie erfolgt ist. So erlaubt das Brandenburgische Polizeigesetz unter den in § 36a des Gesetzes formulierten Voraussetzungen eine Erfassung zu präventiven Zwecken; die Strafprozessordnung hingegen regelt in verschiedenen Vorschriften den Einsatz für repressive Zwecke, d.h. für Zwecke der Strafverfolgung, und sieht hierfür teilweise abweichende Bedingungen vor (u. a. § 111 , § 100h , § 163e StPO ).

Auch die von Ihnen erfragte Zulässigkeit der Aufzeichnungszeiträume hängt letztlich von den genannten Rechtsgrundlagen ab. So werden Nicht-Treffer bei einer präventiven Kennzeichenerfassung sofort automatisiert gelöscht, während für die zu Zwecken der Strafverfolgung erfassten Daten eine längere Speicherdauer zulässig ist. Insofern wird uns eine Bewertung der Angelegenheit erst nach einer Stellungnahme des Polizeipräsidiums möglich sein.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die Kennzeichenerfassung auf der Grundlage der Strafprozessordnung nicht Gegenstand der von Ihnen angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu automatisierten Kennzeichenkontrollen nach den Polizeigesetzen anderer Länder war.

Ob und inwieweit die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen auf das Brandenburgische Polizeigesetz haben, prüfen wir derzeit.

Die Thematik steht auch auf der Tagesordnung der heute stattfindenden Sitzung des Ausschusses für Inneres und Kommunales im Landtag Brandenburg. Die Sitzung ist öffentlich und wird in Echtzeit übertragen.

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Was vom Tage übrig blieb: Datenfresser Duolingo, Schrotflinten-Anhörung und nie mehr SPD

In der Nacht ist es zeitweise stark bewölkt, aber trocken.Uber ist für tödlichen Unfall mit Autopilot strafrechtlich nicht haftbar (Neue Zürcher Zeitung, 2 Minuten)

Müssen sich Betreiber selbstfahrender Autos für Verkehrsunfälle ihrer Fahrzeuge verantworten? In dieser rechtlich und ethisch komplexen Frage gibt es nun ein Urteil aus Arizona. Ein Staatsanwalt dort sieht nach einem tödlichen Unfall eines autonomen Testautos von Uber keine Grundlage dafür, die Firma rechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Guess what? Facebook still tracks you on Android apps even if you don’t have a Facebook account (Privacy International, 8 Minuten)

Die NGO Privacy International berichtete bereits im Dezember, dass beliebte Apps aus dem Google Play Store automatisiert persönliche Daten an Facebook senden. Seither haben einige Softwarefirmen wie Spotify das abgestellt, aber noch immer melden zahlreiche beliebte Apps Daten an das soziale Netzwerk weiter, darunter Yelp und Duolingo.

Urheberrecht: Die Alles-Mitmach-Partei SPD (Sascha Lobo, Spiegel Online, 10 Minuten)

„Nie mehr CDU“ singen und twittern derzeit die gegen Artikel 13 Protestierenden, die Union ist die treibende Kraft bei der schädlichen Urheberrechtsreform. Aber die SPD macht auf eine Weise mit, die ihr jede Chance auf die Stimmen der Generation YouTube verbaut.

Mit der Schrotflinte durchs Internet (Rundfunk Berlin-Brandenburg, 11 Minuten)

Im Berliner Abgeordnetenhaus fand heute eine Anhörung zur EU-Urheberrechtsreform und Uploadfiltern statt. Markus Beckedahl war für uns einer der Sachverständigen. Der RBB fasst die Debatte zusammen.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb “, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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Facebook missbraucht Handynummern zu Werbezwecken

Doch nicht ganz sicher, denn Facebook verwendet Handynummern weiter. CC-BY 2.0 Stock Catalog Immer wieder wird empfohlen, aus Sicherheitsgründen die Handynummer bei Online-Dienstleistern zurückzulegen, so auch durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) . Zum besseren Schutz der persönlichen Daten kann bei vielen Internetdiensten neben Nutzer:innenname und Passwort auch die eigene Handynummer hinterlegt werden. Diese sogenannte Zwei-Faktor-Authentifizierung verbessert die Sicherheit, um sich vor fremdem Zugriff zu schützen: Würde sich unerlaubter Zugriff zu einem Account verschafft, wäre neben dem Passwort immer noch ein Code vom Handy notwendig, um völligen Zugriff auf den Account zu erhalten.

Zweckentfremdung der Handynummern

Jetzt stellte sich allerdings heraus, dass diese Daten zu anderen Zwecken – insbesondere Werbung – missbraucht werden, wie Zack Whittaker für techcrunch berichtet (in Deutsch bei Zeit Online ). Mehrere Tweets des Unternehmers und Bloggers Jeremy Burge sorgten Anfang der Woche für weltweites Aufsehen: Er zeigte, dass Facebook die Handynummern seiner Nutzer:innen nicht nur aus Sicherheitsgründen speichert, sondern zu Werbezwecken weiternutzt. Es gibt auch keine Möglichkeit, die eigene Nummer vollständig zu verbergen.

For years Facebook claimed the adding a phone number for 2FA was only for security. Now it can be searched and there’s no way to disable that. pic.twitter.com/zpYhuwADMS

— Jeremy Burge 🐥🧿 (@jeremyburge) March 1, 2019

Facebook nutzt also die Zwei-Faktor-Authentifizierung nicht nur, um die Accounts der User:innen sicherer zu machen. Die Handynummern werden zu Werbezwecken weiterverwendet, ohne dass Nutzer:innen dem vorher zugestimmt hätten oder im Nachhinein der Weiterverwendung widersprechen können. Zudem ist es nicht möglich, die Nummer komplett zu verbergen. Denn die Einstellungen erlauben es lediglich, den Kreis der User:innen, die die eigene Nummer sehen können, auf die Facebook-Freunde zu beschränken.

Der Missbrauch von Handynummern durch die Werbeplattform zeigt, dass die Zwei-Faktor-Authentifizierung einen Online-Account nicht nur sicherer macht. Problematisch ist allerdings, dass zugleich die Nummern ohne Zustimmung zu einem anderen Zweck verwendet werden können.

Kritik durch Datenschutzbeauftragten

Besonders bedenklich ist dies aus datenschutzrechtlicher Perspektive. Der Datenschutzbeauftragte von Hamburg, Johannes Caspar, zeigte sich besorgt über diese Entwicklung und äußerte gegenüber netzpolitik.org „erhebliche Bedenken mit Blick auf die Einhaltung der Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung“ (DSGVO):

Hier wird die Datensicherheit gegen den Schutz der Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer von Facebook ausgespielt. Personen, die sich für eine Zwei-Faktor-Authentifizierung entscheiden, haben einen klaren Zweck für die Verwendung ihrer Mobilfunknummer festgelegt. Diese wird nun durch den eigenmächtigen Schritt von Facebook in den Bereich der zu wirtschaftlichen Zwecken einsetzbaren Daten der Nutzer „eingemeindet“, ohne dass hierfür eine Einwilligung der Nutzer vorab abgefragt wird. […] Dies gilt sowohl hinsichtlich der Verwendung der Nummer zur Auslieferung von Werbung als auch zur Identifizierung von Nutzerinnen und Nutzern.

Kritisch sieht der Datenschutzbeauftragte auch den Austausch von Daten zwischen Facebook, Instagram und Whatsapp, obwohl dieser eigentlich untersagt worden sei: „Mehr und mehr erhärtet sich der Verdacht, dass Facebook das Inkrafttreten der DSGVO nicht nutzt, um den Datenschutz zu optimieren, sondern um ihn tiefstmöglich zu unterlaufen“, so Johannes Caspar. „Die Datenschutzaufsichtsbehörde wird diese Fragestellung noch intensiver einer Prüfung unterziehen und dann gegebenenfalls den Vorgang der federführernden Aufsichtsbehörde in Irland überstellen.“

Kaum Auskunft von Facebook

Auf Anfrage von netzpolitik.org wurde die Verwendung der Handynummern zu Werbezwecken nicht weiter kommentiert. Eine Sprecherin von Facebook gab lediglich an, dass die Zwei-Faktor-Authentifizierung eine sichere, aber nicht verpflichtende Einstellung sei, und betonte, dass User:innen nicht über Handynummern oder Mailadressen gesucht werden könnten.

Damit bestätigt sich erneut, dass Facebook nach wie vor wenig Interesse an der Privatspäre seiner Nutzer:innen hat und Datenschutz nicht allzu ernst zu nehmen scheint. Denn klar ist, dass Handynummern zweckentfremdet und diese nicht komplett verborgen werden können.

Offen ist noch, wie mit solchen Datenschutzverstößen durch Facebook zukünftig umgegangen wird. Denn die neue DSGVO definiert klar, dass personenbezogene Daten nur für eindeutige Zwecke erhoben und nicht anders weiterverwendet werden dürfen (Art. 5 Abs. 1 b DSGVO, „Zweckbindung“). Sie könnte sich somit als nützliches Instrument im Kampf gegen den Missbrauch von Daten erweisen. Ob und wann dies jedoch gegenüber Facebook durchgesetzt wird, damit der Konzern endlich in seine Schranken gewiesen wird, bleibt abzuwarten.

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Tausende demonstrieren in fünf Städten auf Spontandemos gegen Uploadfilter

Nach Polizeiangaben demonstrierten alleine in Berlin etwa 2.000 Menschen. CC-BY-SA 4.0 Linuzifer In Berlin, Köln, Frankfurt, München und Stuttgart demonstrierten tausende Menschen auf Spontandemonstrationen. Die Kampagne „Save The Internet“ sprach auf Twitter von insgesamt über 7.500 Teilnehmenden in den fünf Städten. Die Demonstrationen waren als Reaktion auf die Pläne der Konservativen im EU-Parlament spontan organisiert worden, die die Abstimmung über die Urheberrechtsreform vorzuverlegen versuchten. Sie alle hatten nur eine Vorlaufzeit von etwa 24 Stunden.

In Berlin versammelten sich bei kalten Regenwetter nach Angaben der Polizei 2000, nach Veranstalterangaben 2.500 Menschen gegenüber der Bundeszentrale der CDU. In zahlreichen Beiträgen kritisierten Rednerinnen und Redner die EU-Urheberrechtsreform, sowie den Versuch die europaweiten Proteste mit einer Vorverlegung zu umgehen. Die Vorverlegung wurde als „Schlag ins Gesicht“ derer bezeichnet, die auf demokratischem Wege versuchten, Einfluss auf die europäische Politik zu nehmen. Redner warnten davor, dass solche Verfahrenstricks junge Menschen von der EU und ihren Institutionen entfremden könnten.

Immer wieder skandierten die Teilnehmenden „Nie mehr CDU!“ oder „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit raubt!“. Die ARD berichtete mit einem Livestream aus Berlin.

In Frankfurt kamen bis zu 2.200 Menschen zusammen, die später auch als Demonstration durch die Stadt zogen. Alle Rechte vorbehalten Tibor

In Köln demonstrierten nach Angabe von Infozentrale etwa 1.000 Menschen , andere sprachen von 1.500 , in Frankfurt protestierten zwischen 1000 –2200,  in München zwischen 700 und 1000 und in Stuttgart etwa 300 Menschen .

Nach großem Hin- und Her hat der Fraktionsvorsitzende der konservativen EU-Fraktion Manfred Weber (CSU) am Abend gegenüber dem Bericht aus Berlin bestätigt , dass die Abstimmung nun doch nicht vorgezogen wird. Seit gestern gab es ständig wechselnde Aussagen , heute Nachmittag hieß es noch , dass die Konservativen die Abstimmung vorziehen wollen.

Morgen sollen die Proteste um 18 Uhr vor der CDU-Zentrale in Hamburg weitergehen, am Samstag findet um 13 Uhr eine weitere Demonstration in Magdeburg statt. Wir haben alle uns bekannten Demonstrationen auf einer Karte und in einer Liste gesammelt .

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Was vom Tage übrig blieb: Kanadas Transparenz, US-Netzneutralität und Künstliche Intelligenz durch Kinderaugen

Mit den gestrigen Lichtverhältnissen kann das heutige Foto nicht mithalten, aber immerhin hat es zu Hageln aufgehört.Google to ban political ads ahead of federal election, citing new transparency rules (The Globe and Mail)

Kanadas harte Auflagen für Transparenz bei politischer Werbung im Netz bringen Google nun dazu, ganz auf Anzeigen politischer Parteien im eigenen Werbenetzwerk zu verzichten. Nach Angaben des Digitalkonzerns ist es technisch zu komplex, alle politische Werbung in ein zentrales Register einzutragen. Bei Youtube darf allerdings weiter geworben werden.

Democrats to push to reinstate repealed ’net neutrality‘ rules (Reuters)

Die demokratische Mehrheit im US-Repräsentantenhaus bringt laut Reuters morgen ein Gesetz ein, um die von der Trump-Administration abgeschafften Regeln zur Netzneutralität gesetzlich – und nicht wie bisher bloß regulatorisch – festzuschreiben. Ob sich im republikanisch dominierten Senat die dazu (höchstwahrscheinlich) notwendigen 60 von 100 Stimmen finden und anschließend der Präsident das Gesetz absegnet, ist zwar mehr als fraglich. Aber es zeigt, dass das Thema noch lange nicht vom Tisch ist und eine Rolle im bereits einsetzenden 2020-Wahlkampf spielen dürfte.

MIT-Forscherin im Interview: Wie Kinder mit Künstlicher Intelligenz aufwachsen (Spiegel Online)

Sonja Peteranderl hat mit der Forscherin Stefania Druga darüber geredet, wie Kinder mit Künstlicher Intelligenz umgehen.

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Wieder vor Gericht: Geheimdienstliche Massenüberwachung und das Menschenrecht auf Privatheit

Überwachungsinstallation des GCHQ in Bude, an der Küste von Cornwall. CC-BY-NC-ND 2.0 superdove Es gibt erfreuliche Neuigkeiten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg: Zwei Urteile aus dem letzten Jahr, die europäischen Auslandsgeheimdiensten die ungebremste Überwachung von Kommunikationsdaten bereits eingeschränkt hatten, könnten noch nachjustiert werden. Für gleich zwei Beschwerdefälle, die im Jahr 2018 entschieden worden waren, hat die Große Kammer des Gerichts nun mündliche Anhörungen anberaumt.

Beim EGMR laufen bereits seit dem Jahr 2013 mehrere Beschwerden gegen die britische Regierung und das GCHQ wegen der geheimdienstlichen Massenüberwachung, wegen fehlender Aufsichts- und Rechenschaftspflichten und wegen mangelnder Nachprüfbarkeit der Überwachungsmethoden durch Parlament und Gerichte. Die Entscheidung gegen die britische Regierung vom 13. September 2018 (pdf) verurteilte das Abgreifen gewaltiger Mengen von Verkehrsdaten durch das GCHQ als teilweise menschenrechtswidrig , beendete die Massenüberwachung aber nicht.

Anders als etwa beim deutschen Bundesverfassungsgericht ist ein Urteil aus Straßburg nicht in jedem Fall das Ende einer Beschwerde, sondern kann innerhalb von drei Monaten vor die Große Kammer gebracht werden. Dass der Gerichtshof den britischen Fall nochmals betrachten wird , hatten die beteiligten Bürgerrechtsorganisationen bereits Anfang Februar mitgeteilt. Nun liegt auch der Termin für zwei mündliche Anhörungen vor, die nicht nur die Regierung von Großbritannien, sondern in einem zweiten Beschwerdefall auch die von Schweden betreffen. Der Gerichtshof hat sie für den 10. Juli 2019 angekündigt: Vormittags ab 9.15 Uhr geht es um den britischen, nachmittags ab 14.45 Uhr um den schwedischen Geheimdienst.

Ausgangspunkt für die Beschwerde gegen die britische Regierung waren die Veröffentlichungen über die Spähprogramme PRISM und TEMPORA im Jahr 2013, an denen federführend der Geheimdienst GCHQ mitwirkt. Das GCHQ schnorchelt im Verborgenen alle nur greifbaren Internet-Verkehrsdaten ab, insbesondere bei den auf britischem Gebiet anlandenden Unterseekabeln . Die Kommunikationsdaten werden millionenfach verarbeitet, selektiert und teilweise dauerhaft gespeichert.

Großbritannien hat aber mit der Europäischen Menschenrechtskonvention einen völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert, auf den sich die Beschwerdeführer beim EGMR berufen. Konkret garantiert nämlich Artikel 8 dieser Konvention, dass jede Person „das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz“ hat.

Das Gebäude des EGMR in Straßburg. CC-BY-NC 2.0 mitko_denev

Das Gericht in Straßburg hatte drei verschiedene Verfahren gegen Großbritannien zusammengezogen: die Beschwerde „Privacy not Prism“ von Big Brother Watch, Open Rights Group und PEN (58170/13), die Beschwerde des Bureau of Investigative Journalism (62322/14) sowie eine dritte Beschwerde von zehn weiteren Menschenrechtsorganisationen (24960/15). Am Nachmittag geht es dann um einen ähnlich gelagerten Fall des Centrum för rättvisa gegen ein schwedisches Gesetz, das ebenfalls weitgreifende Kommunikationsüberwachung erlaubt (35252/08). Beide Anhörungen werden vor der Großen Kammer stattfinden.

Die Menschenrechtskonvention und die Internetüberwachung der britischen und schwedischen Geheimdienste

Schon bevor das Urteil zum GCHQ-Fall im September gefallen war, beschloss die britische Regierung gesetzliche Änderungen, so dass der Spruch der Richter nicht unmittelbar dazu geführt hatte, dass die Regelungen zur geheimdienstlichen Massenüberwachung überarbeitet werden mussten. Das könnte nun bei einem etwaigen zweiten Urteil anders sein, sofern die Argumente der Beschwerdeführer das Gericht überzeugen, dass die Briten nicht nur gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen, sondern auch, dass konkrete Vorgaben beispielsweise bei der Kontrolle der Geheimdienste oder bei der Datenweitergabe festzuschreiben wären. Im schwedischen Fall könnten die Folgen eines neuen Urteils noch schwerwiegender sein, da das Centrum för rättvisa im vergangenen Jahr eine Niederlage in Straßburg einstecken musste und ein neues Urteil sehr wahrscheinlich eine Verbesserung des Schutzes der Menschenrechte bringen würde.

Die Beschwerdeführer werden nun nochmals die Gelegenheit haben, dem Gericht zuerst schriftlich und im Juli dann mündlich darzulegen, welche der Internetüberwachungspraktiken der britischen und schwedischen Geheimdienste in unverhältnismäßiger Weise gegen das Menschenrecht auf Privatheit verstoßen. Inhaltlich wird es zudem darum gehen, wie eine sinnvolle rechtliche und tatsächliche Kontrolle und Aufsicht der Massenüberwachung gestaltet werden müsste und unter welchen Umständen die Betroffenen wie zu informieren wären. Es besteht sogar die Chance, dass die anlasslose und massenhafte Überwachung durch Geheimdienste an sich als unvereinbar mit der Menschenrechtskonvention erklärt werden könnte.

Wir werden sowohl von der Anhörung im Juli als auch über die Entscheidungen berichten.

Offenlegung: Ich bin selbst eine der Beschwerdeführerinnen in dem Verfahren „Privacy not Prism“ gegen die britische Regierung.

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