Kennzeichenerfassung: Brandenburg speichert Autofahrten auf Vorrat

TraffiDesk: Auswertesoftware für Verkehrsverstöße. Alle Rechte vorbehalten Jenoptik In Brandenburg werden Kfz-Kennzeichen nicht nur nach Verdächtigen gerastert, sondern auch auf Vorrat gespeichert. Gestern haben Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin zugegeben:

Das vom Tatverdächtigen genutzte Fahrzeug […] wurde am Tag des Verschwindens Rebeccas von einer Verkehrsüberwachungsanlage auf der Bundesautobahn 12 zwischen Berlin und Frankfurt/Oder, am Montag, den 18. Februar 2019, um 10.47 Uhr und am darauf folgenden Tag, Dienstag, den 19. Februar 2019, um 22.39 Uhr, festgestellt.

Schon 2012 haben wir enthüllt , dass in Brandenburg Kennzeichen-Scanner nicht nur vorher definierte Kennzeichen suchen, sondern mit einen „Aufzeichnungsmodus“ auch sämtliche Kennzeichen speichern können.

Ein Jahr später haben wir die Standorte der vier stationären Geräte veröffentlicht , darunter auch das aktuell diskutierte auf der Autobahn 12 . Laut Journalisten ist die Polizei Brandenburg jetzt „stinksauer“ , weil ihre Kollegen in Berlin das nun erneut öffentlich bekannt gemacht haben.

Wie lange die Kennzeichen gespeichert werden, konnte uns auf Anhieb niemand sagen.

Straßenabschnitte flächendeckend erfasst

Schon 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht eine „automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen“ nur unter strengen Auflagen erlaubt . Es ist strittig, ob das Brandenburger System mit diesen Vorgaben vereinbar ist. Vor wenigen Wochen hatte das oberste Gericht zwei weitere Aspekte von Kennzeichen-Scannern für teilweise verfassungswidrig erklärt .

Auch die Landesdatenschutzbeauftragte Brandenburg prüft das System, seit vier Jahren . Sie geht davon aus , „dass die Kameras ständig Kennzeichen aufzeichnen und daher bestimmte Straßenabschnitte entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts flächendeckend erfasst werden.“ Die Prüfbehörde hatte Mängel gerügt und „eine andere Rechtsmeinung als die Polizei“ vertreten.

Die Prüfung war damals noch nicht abgeschlossen : „Eine abschließende Prüfung und Bewertung der technisch-organisatorischen Ausgestaltung des Systems steht daher noch aus.“ Ob diese Prüfung mittlerweile abgeschlossen ist, konnte ein Sprecher der Landesdatenschutzbeauftragten auf Anfrage nicht sagen.

Sachverhalt wird geprüft

Auf Anfrage von netzpolitik.org haben Polizei und Politik in Berlin auf Brandenburg verwiesen. Die Polizei Brandenburg hat auf unsere Anfrage bisher nicht geantwortet. Ein Sprecher der Landesdatenschutzbeauftragten Brandenburg antwortete:

Den von Ihnen geschilderten Sachverhalt kennen wir bislang nur aus den Veröffentlichungen des gestrigen Tages; auch sind dazu Anfragen von Bürgern bei uns eingegangen. Darüber hinausgehende Informationen liegen uns nicht vor, wir gehen jedoch davon aus, dass es sich um das Kennzeichenerfassungssystem KESY handelt. Um eine datenschutzrechtliche Einschätzung des Sachverhalts vornehmen zu können, bitten wir das Polizeipräsidium Brandenburg heute um eine Stellungnahme.

Die Zulässigkeit der Kennzeichenerfassung bemisst sich unter anderem daran, auf welcher Rechtsgrundlage sie erfolgt ist. So erlaubt das Brandenburgische Polizeigesetz unter den in § 36a des Gesetzes formulierten Voraussetzungen eine Erfassung zu präventiven Zwecken; die Strafprozessordnung hingegen regelt in verschiedenen Vorschriften den Einsatz für repressive Zwecke, d.h. für Zwecke der Strafverfolgung, und sieht hierfür teilweise abweichende Bedingungen vor (u. a. § 111 , § 100h , § 163e StPO ).

Auch die von Ihnen erfragte Zulässigkeit der Aufzeichnungszeiträume hängt letztlich von den genannten Rechtsgrundlagen ab. So werden Nicht-Treffer bei einer präventiven Kennzeichenerfassung sofort automatisiert gelöscht, während für die zu Zwecken der Strafverfolgung erfassten Daten eine längere Speicherdauer zulässig ist. Insofern wird uns eine Bewertung der Angelegenheit erst nach einer Stellungnahme des Polizeipräsidiums möglich sein.

In diesem Zusammenhang möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die Kennzeichenerfassung auf der Grundlage der Strafprozessordnung nicht Gegenstand der von Ihnen angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu automatisierten Kennzeichenkontrollen nach den Polizeigesetzen anderer Länder war.

Ob und inwieweit die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Auswirkungen auf das Brandenburgische Polizeigesetz haben, prüfen wir derzeit.

Die Thematik steht auch auf der Tagesordnung der heute stattfindenden Sitzung des Ausschusses für Inneres und Kommunales im Landtag Brandenburg. Die Sitzung ist öffentlich und wird in Echtzeit übertragen.

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Erstellt am: 7. März 2019

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