Chinas fleißigster Lobbyist: Wie Huawei um seine Rolle im 5G-Ausbau kämpft

Auf Charmeoffensive: Huawei-Chef Ren Zhengfei 2012 auf Besuch in Brüssel Alle Rechte vorbehalten European Union Da war ein Misston, mitten in einem rauschenden Empfang. Huawei feierte gestern Abend in Brüssel das chinesische Neujahr, in Festsälen und mit Champagner, ganz wie es sich für Lobbyisten-Empfänge in Brüssel gehört. Auf der Bühne verzog Huaweis Cheflobbyist Abraham Liu keine Miene, aber seine Worte trafen.

Am Vorabend hatte der US-Botschafter in Brüssel, Gordon Sondland, Europa vor Huawei gewarnt. Es gebe keinen Grund, mit den Chinesen Geschäfte zu machen, solange sie die Möglichkeit hätten, ihre Kunden zu manipulieren und auszuspionieren, sagte Sondland .

Huawei-Lobbyist Liu nutzte den eigenen Empfang, um zurückzufeuern. Wer so etwas verbreite wie der US-Botschafter, der „beleidige die Intelligenz der Leute“, sagte Liu. „Europa fühlt sich wie unsere zweite Heimat an.“ Lius Botschaft ist Klar: Huawei ist hier, um zu bleiben.

Frisch aus dem 3D-Drucker: Beim Empfang in Brüssel gab es Huawei-Logos aus Schoko CC-BY 4.0 Alexander Fanta

Doch Huawei bereitet Europa Kopfzerbrechen. Alle EU-Staaten arbeiten am Aufbau von 5G-Netzen, dem mobilen Breitbandnetz der Zukunft. Huaweis günstige Preise für Netzwerk-Ausrüstung geben dem Konzern gute Chancen auf eine Schlüsselrolle. Immer öfter sind aber Zweifel zu hören: Sind die Produkte der Chinesen wirklich sicher?

Für Huawei ist die Debatte weder unerwartet, noch trifft sie den Konzern unvorbereitet. Die Chinesen bauen seit Jahren an ihrem Lobby-Netzwerk in Brüssel.

Ein Konzern unter Verdacht

Die USA sind seit langem skeptisch gegenüber Huawei. Bereits 2012 sprach ein Bericht des US-Kongresses von Spionage-Hintertüren in Huawei-Produkten. Diese Woche warnte die US-Regierung Europa erneut vor Sicherheitslücken in chinesischer Hardware. Den Argwohn verstärkt ein Sicherheitsgesetz aus 2017, das Chinas Telekom-Firmen die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden vorschreibt. Huawei gilt außerdem als eng mit Chinas Führung verbunden. Wenn Huawei das mobile Breitbandnetz der Zukunft baut, wie soll sich Europa dann vor chinesischer Spionage schützen?

Die EU-Kommission erwägt Berichten zufolge eine Gesetzesänderung, die einen völligen Ausschluss Huaweis vom Netzausbau in Europa ermöglicht. Was auch immer die Kommission vorschlägt: Der Fall ist wegweisend für Europas Umgang mit China.

In Europa wurden Bedenken gegen Huawei lange Zeit beiseite gewischt. Doch im Januar verhafteten polnische Behörden einen Huawei-Mitarbeiter als Spion . Der Vorfall ließ die Alarmglocken schrillen. Die tschechische Agentur für Cybersicherheit warnt bereits davor vor Sicherheitsrisiken durch Huawei-Equipment. Dänemark wies indes Huawei-Mitarbeiter aus, die gegen arbeitsrechtliche Auflagen verstoßen haben sollen.

In den EU-Hauptstädten wird das Raunen immer lauter. Kanzlerin Angela Merkel fordert Sicherheitsgarantien von Huawei für die Beteiligung der Firma am 5G-Ausbau. In Frankreich und Großbritannien verweigern einige Provider die Zusammenarbeit mit Huawei. Würde der Konzern in ganz Europa vom 5G-Geschäft ausgeschlossen, verlöre er Milliarden – und seinen neben China wichtigsten Markt.

Huawei versichert, die Bedenken ausräumen zu wollen. „Cybersicherheit ist unsere Top-Priorität“, sagt Huawei-Lobbyist Liu. Er sieht die Zweifel an Huawei vor allem als geopolitisches Manöver der Amerikaner. Technische Fragen wie Sicherheit ließen sich nicht in ideologischen Konflikten lösen, sagte Liu. „Wenn Huawei vom Markt ausgeschlossen wird, bedeutet das nicht, dass die Netzwerke sicher sind.“

Huawei: Chinas Lobby-Primus

Huawei lobbyiert seit 2009 die EU-Institutionen in Brüssel. Mit 2,2 Millionen Jahresbudget und 10 Lobbyisten spielt der Konzern inzwischen finanziell in der selben Liga wie Facebook, Amazon oder IBM. Der Sitz des Brüsseler Büros der Chinesen ist im selben Gebäude wie der von Google, direkt hinter dem Europäischen Parlament.

Huawei ist unter den 100-Firmen mit dem höchsten Lobby-Budget die einzige aus China. Einfluss sichert die Firma sich auch als Mitglied und Sponsor von Branchenverbänden wie Digital Europe und den Thinktanks CEPS und Bruegel .

Die Lobbyisten von Huawei sind umtriebig. Vertreter des Konzerns trafen seit 2015 laut amtlichem Lobby-Register 43 Mal Spitzenvertretern der EU-Kommission. Bei vielen der Treffen ging es um 5G-Netze, neun Meetings liefen unter dem Stichwort. Vertreter von Huawei besprachen aber auch Beziehungen der EU mit China und Cybersicherheit.

Cyberpartner mit Tücken

Beim heiklen Thema Sicherheit versucht Huawei seit Langem, sich in Brüssel als Partner zu präsentieren. Das zeigen auf unsere Anfrage veröffentlichte E-Mails der Kommission. Die E-Mails geben Einblick in Meetings mit Huawei. Im September 2017 traf sich ein Konzernlobbyist mit dem Kabinett von EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel.

Die Chinesen wollten die Sicherheitsbedenken gegen sie zerstreuen, schrieb ein Kommissionsbeamter danach an Kollegen . Demnach bot Huawei an, sich an einem geplanten EU-Kompetenzzentrum für Cybersicherheit zu „beteiligen“. Ein Sprecher der Kommission betont auf Nachfrage, dass keine finanzielle Beteiligung gemeint gewesen sei. Huawei habe keinen Anteil an Plänen für das Kompetenzzentrum gehabt.

Huawei ging wenig später in die Offensive: Am 25. Mai 2018, dem ersten Tag der Wirksamkeit der Datenschutz-Grundverordnung, traf Huawei-Vizechef Ken Hu den Vizepräsidenten der EU-Kommission, Jyrki Katainen. Hu wolle eine „wichtige Ankündigung“ machen, schrieb ein Huawei-Lobbyist zuvor an Katainens Büro .

Am selben Tag kündigte Huawei an, ein eigenes Zentrum für Cybersicherheit mit Sitz in Brüssel einzurichten. Es soll nächsten Monat eröffnet werden.

Was Huawei dem Kommissionsvizechef Katainen an dem Tag sagte, bleibt jedoch unklar. Laut der Kommission gibt es – für solche hochrangigen Treffen sehr unüblich – keine Aufzeichnung über das Meeting.

Jobs, Reisen und Geschenke

Der chinesische Konzern umgarnte in den vergangenen Jahren immer wieder EU-Beamte mit Jobs. 2013 heuerte etwa der ehemalige EU-Botschafter in China, Serge Abou, bei Huawei als Lobbyist an. Ein zur selben Zeit begonnenes Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission gegen Huawei und ZTE wegen Dumpingvorwürfen verlief im Sande. Derzeit laufen keine Wettbewerbsverfahren der EU gegen Huawei, sagte ein Sprecher der Kommission auf Anfrage von netzpolitik.org.

Huawei zeigt sich gerne freigiebig mit Geschenken und Einladungen. Das entspricht wohl chinesischen Vorstellungen von „Guanxi“ , dem Austausch persönlicher Gefälligkeiten. Huawei lud rund um die olympischen Spiele in Peking 2012 mehrfach britische Abgeordnete nach China ein. Das sorgte damals für Nasenrümpfen .

2013 gaben Vertreter von Huawei dem damals wenig bekannten CSU-Abgeordneten Manfred Weber bei einer Reise von Abgeordneten der Europäischen Volkspartei nach China ein Handy mit in den Geschenkbeutel . Das Präsent sei unerwünscht gewesen, heißt es heute aus dem Büro des heutigen Fraktionschefs und Spitzenkandidaten. Man habe das Gerät bei der zuständigen Stelle im Parlament abgegeben.

Geopolitisches Gedrängel

Während in Brüssel überlegt wird, ist man jenseits des Atlantik wenig zimperlich. Die USA schloss Huawei und den chinesischen Konkurrenten ZTE von Infrastruktur-Projekten aus. Enge Verbündete folgen dem Beispiel der US-Regierung. Australien und Neuseeland verboten Huawei-Equipment beim 5G-Ausbau. Das könnte dem chinesischen Anbieter auch in den zwei anderen Mitgliedern des Five-Eyes -Spionagenetzes bevorstehen: Großbritannien und Kanada erwägen Schritte gegen Huawei-Beteiligung am 5G-Ausbau.

Für Ärger sorgt auch ein Rechtsstreit: Die US-Regierung ließ per internationalem Haftbefehl im Dezember in Kanada die Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou verhaften. Sie ist die Tochter von Unternehmensgründer Ren Zhengfei. Der Vorwurf: Verstoß gegen die Iran-Sanktionen. China nahm daraufhin 13 kanadische Staatsbürger fest. In diesem Streit schwingt deutlich Geopolitik mit: Die US-Regierung von Präsident Donald Trump will Härte gegenüber China zeigen.

Seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren wettert Trump unablässig gegen China und deren wachsende wirtschaftliche Dominanz. Im Fall Huawei geht es um mehr als Sicherheitsbedenken: US-Firmen sind bei der Vergabe der Aufträge für den 5G-Ausbau direkte Konkurrenz der Chinesen. In Europa gibt es mit Nokia und Eriksson gleich zwei Firmen, die von einem Ausschluss Huaweis vom Netzausbau profitieren würden.

Bei der Entscheidung um Huawei geht es um Sicherheit, um Wirtschaft und um Geopolitik. Wie auch immer sie ausgeht, sie wird uns bis in unsere Hosentaschen verfolgen.

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Erstellt am: 8. Februar 2019

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