Mehr als tausend Menschen demonstrieren in Köln gegen Uploadfilter

Trotz sehr kurzfristiger Ankündigung erschienen sehr viele, meist jugendliche Teilnehmer zum Protest in Köln. Alle Rechte vorbehalten Herr Newstime Bei strahlendem Sonnenschein haben heute zwischen 1000 und 2000 Menschen gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform mit Uploadfiltern in Köln demonstriert. Der Online-Protest, der sich bislang in Videos, Mails, Tweets und Petitionen äußerte, ist damit auf der Straße angekommen. Zur Demonstration hatte der Twitch-Streamer Sebastian Worm erst vor zwei Tagen aufgerufen. Angesichts der kurzen Vorlaufzeit wurde die Demo von Veranstaltern und Unterstützern als voller Erfolg gewertet.

Viele der Schilder und Sprechchöre bezogen sich auf den Vorwurf des Unionspolitikers Sven Schulze, der den via Mail Protestierenden vorwarf, sie seien Bots von Google . Die CSU-Politikerin Monika Hohlmeier hatte hingegen von instrumentalisierten Jugendlichen getwittert , die EU-Kommission in einem Blog-Post auf Medium.com die Kritiker der Uploadfilter in der Urheberrechtsreform als „Mob“ bezeichnet – und den Text später mit der Begründung gelöscht, dass der Text falsch verstanden wurde. Der Originaltext findet sich noch im Internet Archive . Eine Entschuldigung haben wir noch nicht gefunden.

Dieser Umgang mit den Kritikern von Uploadfiltern im Rahmen der Urheberrechtsreform hatte schon online für große Empörung und Widerspruch gesorgt. Und das trugen die Demonstranten nun in Köln mit einem Augenzwinkern auf die Straße. So skandierten die Teilnehmenden „Wir sind die Bots“ (Video) oder trugen Schilder mit wahlweise „Ich bin ein Bot“ oder „Ich bin kein Bot“. Auf anderen Schildern war „Nie wieder CDU“ zu lesen,  „Recht auf Remix statt Uploadfilter“ oder „Rettet das Neuland“. Sprechchöre richteten sich gegen den befürchteten Aufbau einer Zensur-Infrastruktur: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut“ oder „Stoppt die Zensur!“

Mit zahlreichen Schildern machten die Demonstrant:innen auf ihr Anliegen aufmerksam. Der Veranstalter sprach am Ende von 2000 Teilnehmenden. Alle Rechte vorbehalten Infozentrale

Große Resonanz auch online

Die Demonstration wurde von bekannten Youtubern wie Herr Newstime live gestreamt , mehr als 15.000 Menschen schauten sich seinen Stream live an, mehr als 120.000 hatten am Abend die Aufzeichnung angesehen. Während der Demonstration hatten Troll-Accounts auf Twitter versucht, Gerüchte und Falschnachrichten über die Proteste zu verbreiten, Luca Hammer analysierte kurzerhand den Hashtag #Artikel13Demo und visualisierte die twitternden Netzwerke . Entgegen der Troll-Falschmeldungen war die Demonstration bunt, gutgelaunt und friedlich.

Am kommenden Montag soll dann die Online-Petition gegen die EU-Reform , die bereits knapp fünf Millionen Unterschriften gesammelt hat, an die Bundesregierung übergeben werden. Für den 23. März wollen die Gegner:innen der Urheberrechtsreform europaweit Demonstrationen organisieren. Angesichts der Dynamik, die sich gerade entwickelt, ist aber auch durchaus mit weiteren Aktionen vor dem 23. März zu rechnen. Die Urheberrechtsreform wird voraussichtlich im April im Europaparlament abgestimmt.

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Netzpolitischer Wochenrückblick KW 7: Uploadfilter auf dem Weg

Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Roksolana Zasiadko Unser Wochenrückblick wird auch als wöchentlicher Newsletter verschickt. Hier könnt Ihr Euch anmelden.

Uploadfilter sind fast beschlossene Sache. Und es regt sich Protest.

Nach monatelangem Tauziehen sind die Uploadfilter nun fast beschlossene Sache: Die Europäische Union verpflichtet künftig Webseiten und Apps zum Filtern von Inhalten . Die Freiheit im Internet schwindet damit, fürchten Netzaktivisten. Am Text der Reform ist nicht mehr zu rütteln, die endgültige Abstimmung kommt in wenigen Wochen im Europaparlament.

Mit den Uploadfiltern, die zwar nicht im Text der Reform stehen, aber durch die Formulierung unumgänglich sind, wird Europa eine Technik einführen, die schnell in eine Kontroll- und Zensurinfrastruktur umzubauen ist. Noch können wir dieses gefährliche Projekt stoppen. Hashtags und Petitionen sind ganz nett. Aber um Uploadfilter noch zu verhindern, braucht es mehr: Verbündet Euch und geht für Demokratie und freie Gesellschaft auf die Straße .

Aber wie meldet man eigentlich eine Demonstration selber an? Auf was muss man achten? Und wie wird die Demonstration zum Erfolg? Unser kleiner Leitfaden gibt nützliche Tipps und Tricks für eine der schönsten und wirkmächtigsten demokratischen Ausdrucksformen: Die Demo.

Europäische Polizeibehörden und Rüstungsfirmen demonstrieren eher nicht, sie arbeiten an einer „Plattform für Terrorismusaufklärung“ im Internet . Sie soll Material zur Förderung von Gewalt und „Radikalisierung“ aufspüren.

Bereits seit einem Jahr gilt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Hass und illegale Hetze im Netz eindämmen sollte. Anke Domscheit-Berg ist Abgeordnete, Netzaktivistin und Frau, also bestens vertraut mit den Drohungen, vor denen das Gesetz eigentlich schützen soll. Wir sprachen mit ihr über planlose Polizisten und die Frage, was der Staat tun könnte statt strafrechtlich relevante Inhalte nur durch die Plattformen löschen zu lassen.

EU und Brexit: Wohin Steuern?

Große Digitalkonzerne erwirtschaften Milliarden in der EU, zahlen aber kaum Steuern. Obwohl Vorschläge auf dem Tisch liegen, um dem internationalen Steuerdumpingwettbewerb Einhalt zu gebieten, bremsen EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland eine europäische Einigung aus. Damit muss Schluss sein , schreibt der linke EU-Abgeordnete Martin Schirdewan in einem Gastbeitrag.

Erheblich gebremst werden könnte auch der Datenverkehr nach dem Brexit: In London wächst die Angst, nach dem ungeregelten Austritt vom Datenaustausch mit dem Kontinent abgeschnitten zu werden. Nicht zu Unrecht: Für den Fall gibt es „keine Notfallmaßnahmen“, sagte der höchste EU-Beamte Martin Selmayr hinter verschlossenen Türen . Aktivisten wittern eine Chance im Kampf gegen die Überwachung.

Freiheit eingeschränkt

Die philippinische Journalistin Maria Ressa ist in Manila verhaftet worden . Sie und ihre Redaktion sind bekannt für ihre furchtlose Berichterstattung über die als korrupt geltende Regierung von Präsident Rodrigo Duterte. Im aktuellen Fall geht es um einen acht Jahre alten Artikel über Korruption und die Nähe der Justiz zum organisierten Verbrechen.

Die saudische Verwaltungsapp Absher sorgt weltweit für Empörung, seit bekannt wurde, dass Männer damit ihre Frauen an der Ausreise hindern können. Jetzt geraten auch Apple und Google unter Druck, die App aus ihren Stores zu nehmen. Was dabei vergessen wird: Spionierende Partner und Ex-Partner findet man auch in Deutschland – und die Regierung interessiert sich kaum dafür.

Recherche und Archiv

Wer zahlt für politische Werbung im Netz und wie viel verdienen die großen Plattformen damit? Auf öffentlichen Druck veröffentlichten Facebook, Twitter und Google Transparenzarchive. Ein Team der New York University nahm das unter die Lupe . Mit ihren Ergebnissen waren sie auf dem Kongress 35c3 unterwegs, wir fassen die wichtigsten Aspekte zusammen.

Archivierte Klausuren für alle: Wer sich auf Abschlussprüfungen vorbereiten will, muss dafür häufig in die Tasche greifen. Eine neue Kampagne von Wikimedia und FragDenStaat soll das ändern und Bildungsmaterialien dauerhaft für die Öffentlichkeit zugänglich machen.

Communication is key

Nach Frankreich will nun auch die Schweiz in Sachen Messenger die behördliche Kommunikation weg von WhatsApp bekommen. Dort entschied man sich nun für Threema, ein Unternehmen aus dem eigenen Land.

Auch die BVG und Behörden sind an Kommunkation interessiert: In Berliner U-Bahnen und Bussen sind so viele Kameras installiert, dass bei jeder behördlichen Anfrage im Schnitt 13 Stunden Bildmaterial geliefert werden. Nun kam durch eine Anfrage heraus, dass die neuen Kameras sogar Mikrofone haben , mit denen die Fahrgäste belauscht werden könnten. Bürgerrechtler sind empört.

Die deutsche Bahn hat genug gehört: Mehr als eine Millarde Euro sind in Überwachungsprojekte an Bahnhöfen geflossen, dabei benötigt die Deutsche Bahn dringend Geld für Züge, Infrastruktur und Personal. Als Konsequenz stoppt der Konzern jetzt auch einen Test mit Verhaltensscannern am Berliner Bahnhof Südkreuz.

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Was vom Tage übrig blieb: Copyright-Mobs, Windows-Zwang und zwielichtige Datenbroker

Wenn das so weiter geht, dann drehen wir hier bald ein Remake von Hitchcocks “Die Vögel”. CC-BY 4.0 netzpolitik.org The Copyright Directive: how the mob was told to save the dragon and slay the knight

Kurze Durchsage der EU-Kommission: Der „Mob“ (Ja, sie schreiben Mob!), der behauptet, dass die EU-Urheberrechtsreform zu Uploadfiltern führe, ist entweder zu blöd zum Lesen oder von Facebook/Google gekauft. In Verschwörungstheorie-Manier fragt der Text tatsächlich noch „Cui Bono?“ Man kann über die Uploadfilter ja unterschiedlicher Meinung sein, einer EU-Kommission ist eine solche Argumentation nach einer solchen zugespitzten Auseinandersetzung aber unwürdig.

Facebook uses its apps to track users it thinks could threaten employees and offices (CNBC)

Wenn Facebook einen User für eine Gefahr für die eigene Sicherheit hält, meldet der Konzern das nicht nur den Behörden, sondern bespitzelt solche Nutzer auch über die eigene Plattform – bis hin zu Standortdaten. Das berichtet der US-Sender CNBC unter Berufung auf Ex-Mitarbeiter. Wer etwa Facebook droht, landet auf einer Liste des konzerninternen Sicherheitsteams. Auch gefeuerte Ex-Angestellte werden demnach überwacht. Scary.

Windows-Zwangsmigration: Strafanzeige gegen niedersächsische Landesregierung (Heise Online)

Die Große Koalition in Niedersachsen will die Finanzverwaltung des Landes von Linux auf Microsoft Windows umstellen – ohne eine konkrete Notwendigkeit anzuführen oder auch nur eine Risiko- und Kostenschätzung vorgenommen zu haben. Unter Berufung auf Untersuchungen von Datenschutzbehörden klagt jetzt ein Privatmann gegen die Zwangsmigration der 12.000 Rechner in den Finanzbehörden.

New AI fake text generator may be too dangerous to release, say creators (Guardian)

Das von Elon Musk unterstützte Projekt OpenAI will den neu entwickelten Text-Generator GPT2 entgegen früherer Praxis nicht offen ins Netz stellen. GPT2 sei zu gut und das Risiko des Missbrauchs zu hoch. Die Software wurde mit mehr als 10 Millionen Artikeln gefüttert und ist in der Lage anhand einer kurzen Textpassage in einem ähnlichen Stil weiter zu schreiben. Der Guardian präsentiert die Fähigkeit anhand eines Beispiels.

Datenhändler auf dem Prüfstand (MDR exakt)

Der MDR liefert ein Follow-Up zu einer sehenswerten Recherche über das Unwesen der Databroker aus dem Jahr 2018: Journalist:innen begleiten eine Frau, deren psychologisches Profil sie damals gekauft hatten, bei dem Versuch, Auskunft von Datenhändler AZ Direct zu erhalten. Dabei werden auch die Grenzen des Datenschutzsystems deutlich: Der Databroker behauptet schlicht, er hätte nur Name und Adresse der Frau gespeichert. In einem ausführlichen Begleitartikel legt Redakteurin Sabine Zygan außerdem dar, wie schlecht es um die Ausstattung und damit die Kontrollfähigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden bestellt ist.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb “, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links & kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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Protest auf die Straße bringen: Zwölf Tipps für deine erste Demo

Bunt und vlelfältig soll sie sein – eure erste Demo. (Symbolbild) CC-BY-NC 2.0 Andi Weiland Demonstrationen sind ein elementarer Bestandteil der Demokratie. Auf Demonstrationen versammeln sich Menschen um für oder gegen etwas zu protestieren. Das Demonstrationsrecht ist ein Grundrecht, es ist als Versammlungsfreiheit in Artikel 8 des Grundgesetzes festgeschrieben. Obwohl also Demonstrationen so wichtig sind, lernt fast niemand in der Schule, wie man eine Demo selber veranstaltet. Wir haben deshalb einen kleinen Leitfaden erstellt.

Grundsätzlich gilt: Es ist gar nicht so schwer, eine Demo zu machen. Und vor allem, man lernt viel über Demokratie und hat am Ende meistens ziemlich viel Spaß gehabt. In zwölf kurzen Schritten beschreiben wir deswegen hier, wie man das macht und auf was man zu achten hat.

Brainstorme mit Freunden

Eine Demo ganz alleine zu organisieren ist schwierig und macht weniger Spaß. Treffe Dich mit Freundinnen und Freunden oder anderen Leuten, die auch am Thema interessiert sind. Überlegt zusammen, was ihr eigentlich genau machen wollt. Überlegt, wer bei Euch in der Region noch zum Thema arbeitet und am gleichen Strang zieht. Habt Spaß auf dem Weg zu Eurer ersten eigenen Demo.

Verbündet Euch mit anderen

Eine Demo zu machen, ist Arbeit. Es ist also gut, wenn ihr ein paar Leute seid. Ihr könnt dafür eine Initiative oder ein Bündnis gründen. Um ein solches Bündnis zu gründen, muss man nichts anmelden. Ihr gebt euch einfach einen Namen und fertig. Für die Mobilisierung ist es gut, wenn ihr möglichst viele unterschiedliche Akteure ins Boot bekommt. Fragt Initiativen und Parteien vor Ort an, ob sie mitmachen wollen. Es ist außerdem ratsam, wenn nicht eine einzelne Partei zur Demo aufruft, sondern ein Bündnis. Wenn eine Partei aufruft, könnte das Leute von anderen Parteien abhalten zu kommen. Und ihr wollt ja möglichst viele Menschen auf die Straße bekommen. Im Bündnis könnt ihr außerdem überlegen, wer die Kosten (z.B. für eine Musikanlage) übernimmt und wie ihr Spenden eintreiben könnt. Oftmals gibt es im Bündnis auch Leute, die mehr Erfahrung haben und bei der Anmeldung der Demo helfen können. Oder eine Organisation hat schon Lautsprecher. Achtet darauf, dass ihr Leute oder Organisationen, die euren Zielen entgegenstehen (wie zum Beispiel rechtsradikale Parteien, Rassisten, o.ä.) nicht ins Bündnis aufnehmt.

Schreibt einen Aufruf

Ein Aufruf ist ein Text, in dem ihr aufschreibt, warum ihr gegen was demonstriert. Der Text sollte nicht zu lange sein und klar und deutlich zeigen, warum Menschen auf Eure Demo kommen sollten. Versucht eure Argumente immer mit Fakten zu belegen, denn krasse Übertreibungen könnten Leute abschrecken oder von den Gegnern gegen Euch verwendet werden. Klingt alles kompliziert? Orientiert Euch an anderen Texten im Netz oder fragt andere um Hilfe.

Es muss nicht immer gleich ein Lautsprecherwagen sein. Für kleine Demos reicht auch ein Megaphon. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Clem Onojeghuo

Meldet eine Versammlung an

In Deutschland müssen Versammlungen nicht erlaubt oder genehmigt werden. Es ist Dein gutes Recht zu sagen: „Ich möchte an diesem Datum, um soundsoviel Uhr auf diesem Platz demonstrieren“. Du musst eine Versammlung aber in Deutschland anmelden, und zwar 48 Stunden bevor Du anfängst für diese öffentlich zu werben. Anmeldungen von Demonstrationen werden von Ort zu Ort unterschiedlich gehandhabt. In großen Städten wie Berlin gibt es extra eine Versammlungsbehörde mit Anmeldeformular auf der Webseite, die sich darum kümmert. In anderen Städten oder Kommunen sind es oftmals die Ordnungsämter. Finde also heraus, wo man eine Demo bei Euch anmelden kann. Meistens hilft dabei schon eine einfache Internetsuche. Wenn das ncht hilft, darfst Du dafür auch die Polizei anrufen (nicht auf der 110) und nachfragen. Für die Anmeldung musst du dann nur folgende Daten angeben:

Den Namen des Veranstalters oder der Initiative/Bündnis, das die Demo veranstaltet

Name, Telefonnummer und Anschrift der/des verantwortlichen Versammlungsleiter:in (das ist die Person, die vor Ort die Verantwortung hat und Ansprechpartner für die Polizei ist)

Tag, Zeit, Ort der Versammlung und bei einer sich bewegenden Demo zusätzlich: Angaben über die Demoroute. Die Demoroute gibt man einfach mit Straßennamen an. Achtet bei der Auswahl der Orte, dass ihr an belebten Orten demonstriert.

Das Thema / das Motto der Demo

die Zahl der Leute, die man erwartet. Hier gilt: einigermaßen realistisch bleiben. Gibst du zu viele Teilnehmer an, musst Du im Zweifelsfall auch sehr viele Demo-Ordner stellen, gibst du zu wenig (z.B. unter 50) an, darfst Du nicht auf der Straße demonstrieren.

Wenn ihr einen Lautsprecherwagen habt, melde auch diesen an.

Anmeldergespräch mit der Polizei

In der Regel wird sich nach Eurer Anmeldung das Ordnungsamt und/oder die Polizei bei Euch melden, um abzuklären, was ihr vorhabt und um den begleitenden Polizeieinsatz zu planen. Keine Angst davor! Ihr müsst gegenüber der Polizei keine Namen nennen, wer noch alles zur Demo kommt und könnt da einfach allgemein und ehrlich bleiben. Sollte die Polizei Euch Euren Demoplatz oder die Route nicht genehmigen wollen, so muss sie das auch gut begründen. Lasst Euch nicht in langweilige Seitenstraßen drängen. In der Regel findet sich aber eine gute Lösung und ein kooperativer und freundlicher Umgang mit den Ordnungshütern.

Macht eine Webseite oder eine Facebook-Seite für die Demo

Ihr könnt Euch ganz schnell eine Webseite klicken bei einem Bloghoster wie wordpress.com und in kurzer Zeit eine Webadresse haben, auf der ihr die Demo bewerbt. Gleiches geht natürlich auch mit einem Event auf Facebook. Wichtig ist, dass es eine Webadresse gibt, die ihr als Link über soziale Netzwerke, in Youtube-Videos und über Messenger verbreiten könnt. Auf die Seite gehört nicht nur das Datum, der Ort und die Zeit eurer Demo, sondern auch der Aufruftext und eine Liste der Organisationen, die zur Demo aufrufen. Ihr solltet außerdem eine Mailadresse angeben für die Presse oder für andere Organisationen, die sich eurer Demo anschließen wollen.

Informiert die Presse

Ruft bei der lokalen Zeitung und den lokalen Radiosendern an und sagt, dass ihr eine Demo machen wollt. Schreibt eine Mail mit allen Fakten und der Webadresse hinterher, damit es auch wirklich ankommt. Ihr wollt ja, dass möglichst viel Berichterstattung entsteht – und Eure Demo sichtbar wird. Rührt also die Werbetrommel!

Ganz schön viele Schilder. Hier eine Demo in Los Angeles. Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Alex Radelich

Malt Demoschilder

Eine Demo ist immer dann besonders auffällig, wenn es viele unterschiedliche Schilder gibt, die sagen, warum ihr die Demo macht und wofür oder gegen was ihr demonstriert. Lustige Schilder machen mehr Spaß und natürlich darf das alles auch selbstgemalt und bunt sein, denn das sieht am Ende immer am Besten aus. Gute Schilder kann man machen, indem man Pappkartons mit weißer Wandfarbe anmalt, die Sprüche dann mit bunter Abtönfarbe draufschreibt. Mit Bambus-Pflanzenstöcken und Kabelbindern kann man schöne Schilder basteln, die man auch sichtbar und einfach hochhalten kann. Alternativ gehen auch kurze Sprüche auf Din A3 ausgedruckt oder kopiert und im Idealfall mit Pappkarton auf der Rückseite stabilisiert. Generell gilt: Ein schönes Demo-Schild mit einer knackigen Aussage ist um einiges cooler und sinnvoller als zehn Parteifahnen ohne Aussage.

Leiht Euch eine Lautsprecheranlage

Es gehört zu Demonstrationen dazu, dass es Redebeiträge und Musik gibt. Für eine ganz kleine Demo reicht ein Megaphon oder eine größere (Bluetooth-) Lautsprecherbox über die die Redebeiträge verstärkt werden. Macht ihr eine größere Demo braucht ihr eine richtige Anlage (Auch „PA“ genannt). Eine solche Anlage samt Mikrofonen könnt ihr beim örtlichen Anlagenverleih oder bei lokalen Initiativen oder Vereinen ausleihen, außerdem braucht ihr noch einen passenden Generator. Fragt einfach den Anlagenverleiher, was er für einen Generator nehmen würde. Idealerweise packt ihr die Anlage und den Generator auf einen Pritschenwagen, den ihr Euch ausleiht. Somit habt ihr ein fahrendes Soundmobil – und könnt die Demo mit Reden und Musik beschallen. Dann macht die Sache gleich viel mehr Spaß. Kostenpunkt: Je nach Ausstattung und Angebot um die 200-500 Euro für Wagen und Anlage. Falls Euch das zu viel ist: Es geht auch ohne Anlage, mit vielen Sprüchen auf Schildern und Parolen, welche die Teilnehmer zusammen rufen. Wichtig ist, dass ihr eine Demo macht. An dem Aufwand von Anlage und Lautsprecherwagen soll euer Projekt nicht scheitern.

Organisiert Redebeiträge

Auf eine Demo gehören Reden. Schreibt selbst Redebeiträge, lest Texte von anderen Personen vor, die ihr Einverständnis gegeben haben oder fragt Leute an, die gut zu Eurem Thema und für Euer Anliegen reden könnten. Achtet darauf, dass nicht nur Parteien reden, die Eure Demo für die Wählerwerbung nutzen könnten, sondern lieber Vertreter:innen der Zivilgesellschaft.

Auf der Demo

Idealerweise seid ihr als Organisator:innen eine halbe Stunde vor Beginn der Demo vor Ort. Dort sollte sich Eure Versammlungsleitung dann bei der Polizei vorstellen. In der Regel bekommt man einen Ansprechpartner von der Polizei, mit dem man in dauerndem Kontakt steht. Wenn ihr einen Lautsprecherwagen habt, wird sich die Polizei diesen anschauen wollen und ggf. die Personalien und den Führerschein des Fahrers aufnehmen. Bei einem Lautsprecherwagen müsst ihr Ordner für jeden Reifen bestimmen, die aufpassen, dass niemand unter die Räder kommt. Die Demo-Ordner könnt ihr ganz einfach mit weißem Gaffa-Tape und der Edding-Aufschrift „Ordner“ kennzeichnen. Nehmt als Ordner nur Menschen, die ihr persönlich kennt und denen ihr vertraut. Sollten Gruppen oder Personen auftauchen, die ihr nicht auf der Demo haben wollt (z.B. rechtsradikale Gruppen oder Parteien), so könnt ihr diese per Lautsprecherdurchsage zum Weggehen auffordern oder sogar die Polizei auffordern, diese auszuschließen.

Die Polizei kann während der Demonstration von Euch verlangen, dass ihr die Auflagen vorlesen oder auf besondere Vorkommnisse reagieren müsst. Das ist ihr gutes Recht. Ganz am Ende einer Demonstration muss der Versammlungsleitende die Demonstration mit dem Satz „Hiermit beende ich die Versammlung offiziell“ beenden. Ab dann gilt nicht mehr das Versammlungsrecht und die Polizei kann den Menschenauflauf nach und nach wegschicken. Beendet die Versammlung also erst, wenn ihr wirklich fertig seid. Die erste Demo ist bestimmt sehr aufregend, aber am Ende ist es doch einfacher und problemloser als gedacht.

Kommunikation von und auf der Demo

Verbreitet Bilder und Videos der Demonstration oder auch der Schilder über soziale Netzwerke und gebt bei den Tweets oder Postings die Stadt und die Zahl der Teilnehmenden an. Packt auch coole Sprüche und Forderungen dazu, damit außen sichtbarer wird, wofür die Leute auf der Straße sind. Achtet darauf, dass ihr nur Fotos von Personen verbreitet, die auch fotografiert werden wollen. Im Zweifelsfall lieber Gesichter unkenntlich machen. Dafür gibt es in vielen Foto-Apps passende Filter.

Werdet ihr von der Presse oder der Polizei nach Teilnehmerzahlen gefragt, bleibt realistisch, aber im oberen Bereich. Ihr müsst die Demo nicht kleiner machen als sie ist. Eure Teilnehmerzahl wird immer auch mit der Zahl der Polizei in Vergleich gesetzt. Die Wahrheit liegt meistens irgendwo dazwischen.

Viel Spaß bei Eurer ersten eigenen Demo!

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App Absher: Männer überwachen Frauen nicht nur in Saudi-Arabien

So praktisch: Mit der Verwaltungsapp Absher kann man Autos anmelden oder die eigene Frau und Tochter an der Ausreise hindern. Alle Rechte vorbehalten Screenshot Eine wirklich praktische Verwaltungsapp hat Saudi-Arabien da entwickelt. Man kann darin Knöllchen zahlen, wenn man falsch geparkt hat, einen Ausweis erneuern oder ein Neugeborenes anmelden. Und wenn man ein Mann ist, kann man auch einstellen, wie viele Reisen die eigene Frau oder Tochter unternehmen darf, ob sie das Land überhaupt verlassen darf und wohin. Man kann sich sogar per SMS benachrichtigen lassen, wenn sie an einem Flughafen eincheckt oder versucht die Grenze zu überqueren.

In Saudi-Arabien ist das ein normaler Verwaltungsakt, denn laut Gesetz braucht jede Frau dort einen männlichen Vormund, der über sie entscheidet – einen Ehemann, Vater, Bruder oder Sohn. Ohne dessen Erlaubnis kann eine Frau weder eine Ausbildung machen, noch Autofahren oder das Land verlassen. Als man im Jahr 2012 die dafür notwendigen Papierbescheinigungen, den berühmten „yellow slip“, digitalisierte, war das rein rechtlich betrachtet nur ein Schritt Richtung E-Government.

Apple und Google in der Kritik

Jetzt ist die Geschichte außerhalb Saudi-Arabiens wieder in Erinnerung gerufen worden, nachdem Anfang Februar ein Artikel im Business Insider ausführlich über die App und ihre Funktionen berichtete. Die Empörung richtet sich allerdings weniger gegen die saudische Regierung. Dass Frauen dort keine vollen Menschenrechte genießen, ist ja bekannt. In der Kritik stehen vor allem Apple und Google, die die App Absher mit den genannten Funktionen in ihren Stores anbieten. An sie appellieren jetzt Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch , sie mögen die Softwarre doch aus ihren Download-Bereichen verbannen. Gerade Apple ist schließlich für seine strikten Richtlinien bekannt , die unter anderem Apps aussperren, die geeignet sind, andere zu gefährden. Keine der Firmen hat sich bisher dazu geäußert.

Warum diese Geschichte jetzt?

Natürlich ist diese Geschichte ein Aufreger: Eine staatliche App, die bei der Überwachung, Unterdrückung und Entmündigung von Frauen hilft, so als gehe es dabei um eine weitere lästige Verpflichtung, vergleichbar mit dem Begleichen eines Knöllchens oder einer neuen Fahrzeugzulassung. Interessant ist dennoch die Frage, warum die Geschichte derzeit wieder einen solchen Aufwind erfährt. Eingeführt wurde die Verwaltungs-App inklusive der Option zur SMS-Benachrichtigung bereits im Jahr 2012. Die saudische Aktivistin Manal al-Sharif, berühmt geworden durch ihre Kampagne für der Recht der saudischen Frauen auf Autofahren , hatte damals bereits in einem Tweet auf die Funktion aufmerksam gemacht. Auch der Guardian und andere Medien berichteten daraufhin.

Vielleicht liegt es an der packenden Geschichte von Shahad al-Moheimeed, der jungen Frau, deren Fluchtgeschichte der Business Insider für seinen Artikel so akribisch recherchiert hat – inklusive der Rolle, die das Überlisten von Absher dabei spielte. Allerdings fällt auf, dass die Empörung über die Unterdrückung, Verfolgung und Schikane von Frauen vor allem dann Aufmerksamkeit erfährt, wenn sie anderswo passiert. Besonders in Saudi-Arabien, dessen archaische Gesetze im Kontrast zur westlichen Welt wie eine dystopische Geschichte von Margaret Atwood anmuten.

Spionierende Partner: Man muss nicht bis Saudi-Arabien schauen

Wer allerdings etwas darüber erfahren möchte, wie Frauen mit Hilfe von Technologie verfolgt, bedroht und tyrannisiert werden, muss dazu nicht bis in den Nahen Osten schauen. Es reicht aus, in die nächstgelegene Frauenberatungsstelle zu gehen und sich dort mit jenen zu unterhalten, die täglich mit solchen Fällen zu tun haben. Partner und Ex-Partner, die das Handy ihrer Frauen und Freundinnen mit versteckten Programmen überwachen, ihren Standort minutengetreu verfolgen, all ihre Chats und Telefonate mitlesen und hören.

Spyware nennen sich die Programme, mit denen diese Totalüberwachung möglich ist und sie sind auch in Deutschland legal zu kaufen. Denn ihr Einsatz ist nicht per se verboten. Wenn etwa ein Erziehungsberechtigter sein Kind mit diesen Mitteln tracken möchte, ist das erlaubt, so lange nicht Dritte mit abgehört werden. Eine Straftat begeht erst, wer die App einsetzt, um einen anderen ohne dessen Einverständnis auszuspionieren.

An Google und Apple braucht man in diesem Fall nicht zu appellieren, denn sie haben die berüchtigten Apps wie FlexiSpy oder mSpy aus den Stores verbannt. Das ist allerdings kein unüberwindbares Hindernis, denn um etwa den Standort und die Chats auf einem iPhone zu überwachen, kann schon die Apple ID und das Passwort der Person reichen, die es nutzt. Wenige Minuten mit einem Telefon genügen, um darauf Programme zu verstecken, die noch viel mehr können, zum Beispiel alle Gespräche mithören oder das Mikrofon aus der Ferne anschalten. Viele der Betroffenen wissen nichts über Zwei-Faktor-Authentifizierung oder anderen Sicherheitsmaßnahmen, die sie davor schützen könnten .

Aufklären, unterstützen, verfolgen? Regierung sieht wenig Bedarf

Die Tech-Konzerne sind hier die falschen Ansprechpartner. An wen man aber sehr wohl appellieren könnte, ist die Bundesregierung. Wenn sich der illegale Einsatz der Software nicht verhindern lässt, dann könnte sie zumindest dafür sorgen, dass Frauen über die Gefahren gut aufgeklärt werden. Sie könnte die Beratungsstellen mit genug Geld ausstatten, um Menschen zu beschäftigen, die dabei helfen, Beweise zu sichern und das eigene Gerät wieder zu entwanzen. Und sie könnten schließlich auch bei der Polizei und Justiz dafür sorgen, dass Beamt*innen und Richter*innen solche Fälle richtig einordnen können.

Das Interesse an dem Thema scheint jedoch gering – obwohl sich die Berichte von Betroffenen im Netz häufen und die Beratungsstellen berichten, dass diese Form der geschlechtsspezifischen Gewalt inzwischen zum Alltag gehört . Eine Anfrage der Fraktion Die Linke aus dem vergangenen Jahr hat ergeben, dass im Grunde keinerlei Zahlen dazu bekannt sind, wie viele Fälle von digitaler Spionage und anderen Formen Digitaler Gewalt erfasst oder angezeigt wurden. Es sind auch keine Studien dazu geplant. Ein einziges Projekt zum Thema fördert das Familienministerium . Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, der die Seite „Aktiv gegen digitale Gewalt“ koordiniert, sagt er bekomme wesentlich mehr Anfragen für seine Weiterbildungen als er anbieten kann.

Deutschland ist nicht Saudi-Arabien und Männer, die Spyware nutzen, um Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen zu verfolgen und zu tyrannisieren, sind nicht das gleiche wie eine Regierung, die eine solche Funktion in einer Bürger-App einbaut. Frauen sind in Deutschland per Grundgesetz gleichgestellt, aber auch wir ringen noch darum, diesen Grundsatz auch tatsächlich ins bürgerliche Gesetzbuch und von dort ins tatsächliche Leben zu übersetzen. Man würde sich deshalb wünschen, dass ein Teil des Furors, den diese App auslöst, sich auch gegen die Gewalt richtet, die Frauen in Deutschland jeden Tag erfahren. Damit gleiche Rechte nicht nur in Gesetzen festgeschrieben stehen, sondern auch im Alltag gelebt werden können.

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Was vom Tage übrig blieb: Strom, Lobbying und Killer-AI

Mit der Sonne kehren die Vögel zurück, die sich auf dem Kran breitmachen. Der Sachverständigenrat für externe Links begrüßt diese Entwicklung ausdrücklich und fordert ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Sonne. Und Sommer.Digital first, Planet second (KONTEXT:Wochenzeitung)

Serverfarmen und andere Informations- und Kommunikationstechnologie lässt den globalen Stromverbrauch immer weiter anwachsen. Die Infrastruktur des Internets hat alleine bereits zehn Prozent Anteil am weltweiten Stromverbrauch, berichtet die KONTEXT:Wochenzeitung. Ein Grund mehr, warum eine nachhaltige Gestaltung der Digitalisierung wichtig ist.

After 30 months, EU legislators agree to sell out users and creators to big platforms and big content. (Communia)

Communia setzt sich als Organisation für den Erhalt der Public Domain und den Zugang zum Wissen ein. Und ist von dem Kompromiss bei der EU-Urheberrechtsreform nicht begeistert. „Die gute Nachricht ist: Der Text kann nicht noch schlechter werden.“ Bei Communia teilt man unsere Einschätzung, dass diese Reform nur den großen Playern helfen wird und zu Lasten der Nutzer und Urheberinnen geht.

Facebook’s Most Intriguing New Hires Aren’t in Silicon Valley—They’re in Washington (Gizmodo)

Facebook rüstet massiv beim Lobbying auf und kauft diverse Menschen ein, die bisher in ihren Jobs Facebook aus Verbraucher- und Grundrechtsperspektive kritisiert haben: “Facebook is largely adopting Google’s playbook, creating a revolving door not only between the Hill and the company, but also between civil society groups and the company,”.

The Pentagon doubles down on AI – and wants help from big tech (Wired)

Das US-Verteidigungsministerium hat nun auch eine Strategie zur Künstlichen Intelligenz . Wired berichtet darüber, wie das Pentagon große IT-Unternehmen wie Google, IBM oder SAP umgarnt – und sich diese auf das Spiel einlassen, selbst wenn sie in der Öffentlichkeit andere Töne spucken.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb “, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links & kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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Uploadfilter: Jetzt hilft nur noch Protest auf der Straße

Petitionen sind gut, Demos sind besser. CC-BY 2.0 Francisco Osorio Gestern Abend haben sich EU-Staaten, Kommission und Parlament auf die Einführung von verpflichtenden Uploadfiltern geeinigt . Die Reform schreibt vielen Internetseiten und Apps vor, von Nutzerinnen und Nutzern hochgeladene Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Praktisch allen Plattformen, die Nutzerinhalte hosten, droht damit die Pflicht, Uploadfilter einbauen zu müssen. Das Europarlament stimmt über diese automatisierte Inhaltskontrolle in wenigen Wochen final ab. Nur massiver Druck auf der Straße kann diese Reform jetzt noch stoppen.

Fast fünf Millionen Menschen haben eine Petition gegen die Zensurfilter unterschrieben. Doch das reicht jetzt nicht mehr aus. Darauf können sich die Kritiker nicht mehr ausruhen. Die Verwendung eines Hashtags wie #niemehrCDU macht Spaß, aber bringt wenig nachhaltige Wirkung. Der Protest muss sichtbarer werden. Es braucht Kundgebungen, Demos und kreative Aktionen. Am besten in mehreren Städten. In ganz Europa. Das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, das übrigens seinerzeit schon Uploadfilter bringen sollte, wurde damals auf der Straße gestoppt – und bei den Uploadfiltern ist das auch noch möglich.

Meme sind ein gutes Mittel, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. CC-BY 2.0

Als Aktionstag ist nun der 23. März geplant. Erste Demonstrationen werden jetzt gerade angemeldet . Und ihr alle könnt das auch tun: Tut euch zusammen mit anderen Menschen, verbündet Euch mit Initiativen und Parteien, diskutiert, plant, habt Spaß – und meldet bei der örtlichen Versammlungsbehörde, Ordnungsamt oder Polizei eine Demo an. Mobilisiert im Freundeskreis, erklärt Euren Eltern und Kollegen, warum Uploadfilter gefährlich sind. Malt Schilder, entwerft Memes, schreibt Aufrufe, postet Videos – und ruft Eure Abgeordneten an . Ein höflicher Anruf am Telefon ist dabei viel wirksamer als eine E-Mail, die schnell im vorgeschriebene Spamordner landet.

Verbündet Euch – und klärt auf!

Uploadfilter sind gefährlich für das freie Netz . Sie richten sich direkt gegen netzkulturelle Phänomene, gegen Meme, Youtube-Videos, Remixe und all den Spaß, den viele so lieben. Sie richten sich gegen Innovation, gefährden neue und alte Projekte. Sie stärken die Macht der großen Konzerne gegenüber Newcomern. Und das sind nur die unmittelbaren Auswirkungen.

In einem zweiten Schritt kann die jetzt aufzubauende Upload-Infrastruktur auch für ganz andere Zwecke missbraucht werden: Was heute für die Durchsetzung von Urheberrechten genutzt wird, kann morgen schon für die Unterdrückung missliebiger politischer Meinung und Information genutzt werden. Sind die Uploadfilter einmal da, werden sie Begehrlichkeiten wecken bei allen, denen Demokratie und Meinungsfreiheit schon immer ein Dorn im Auge war. Die geplante EU-Verordnung gegen Terrorpropaganda ist da nur der erste Schritt.

Uploadfilter können massive Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit haben. Es fehlen dabei sämtliche demokratische Kontrollmöglichkeiten, um Missbrauch zu verhindern. Die Einführung einer automatisierten Inhaltskontrolle auf vielen Internetplattformen und Apps legt den technischen Grundstein für eine mögliche Zensur- und Kontrollinfrastruktur. Und sie hilft dabei wahrscheinlich noch nicht einmal den Urheberinnen und Urhebern eine faire Entlohnung zu bekommen.

Deshalb sollten wir im Namen der Demokratie und der freien Gesellschaft gegen Uploadfilter in Europa auf die Straße gehen!

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Deutsche Bahn stoppt neuen Überwachungstest am Berliner Südkreuz

Eine abgestellte Lampe auf einem Bahnsteig am Bahnhof Südkreuz. Mit der Mustererkennung sollten auch herrenlose Gegenstände aufgespürt werden. CC-BY-NC 2.0 huhuguy / Bearbeitung: netzpolitik.org Die Deutsche Bahn hat einen angekündigten Test zur Verhaltens- und Mustererkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz gestoppt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Bahnhof Südkreuz ist bekannt als Testfeld für neue Überwachungstechnologien. So hatten Bahn, Bundesinnenministerium und die Bundespolizei in einem umstrittenen Pilotversuch ab 2017 auf dem Bahnhof Systeme zur automatischen Gesichtserkennung getestet.

Laut einem Bericht der WirtschaftsWoche wollte die Bahn im Februar eigene Versuche zum Einsatz von Software zur Überwachung des Bahnhofs starten. Im Vordergrund steht dabei die Verhaltens- und Mustererkennung, bei der „intelligente Videosysteme“ in Echtzeit erkennen sollen, ob gerade eine Gefahr besteht. Dabei geht es laut Bundesinnenministerium um unterschiedliche Szenarien wie abgestellte Gegenstände, Betreten festgelegter Bereiche, die Zählung von Personen sowie die Nachverfolgung von Personen.

Der Bahnvorstand hat diesen Versuch nun unmittelbar vor dem Start gestoppt. Gegenüber der WirtschaftsWoche sagte ein Konzernsprecher, man konzentriere sich darauf, drängendere Baustellen abzuarbeiten. Die Deutsche Bahn steckt derzeit in einer Krise , sie hat zu wenig Geld in ihre Grundinfrastruktur und Personal gesteckt, Störungen und Verspätungen sind die Folge. Dem stehen hohe Investitionen für Ausbau und Betrieb von Überwachungssystemen an Bahnhöfen entgegen – Schätzungen gehen von mehr als einer Milliarde Euro aus .

Einen großangelegten Test mit Verhaltensscannern gibt es auch in der baden-württembergischen Stadt Mannheim. Mit 76 Kameras werden seit Dezember 2018 die Menschen auf zentralen Plätzen und Straßen in der Innenstadt überwacht und ihr Verhalten gescannt. Der Einsatz von Verhaltensscannern, also Videoüberwachung mit Bewegungsmustererkennung, ist grundrechtlich bedenklich, weil er einen starken Konformitätsdruck ausübt und gleichzeitig viele Fehlalarme zu erwarten sind. Nicht transparent ist dabei auch, auf welche „unnatürlichen Bewegungen“ die Algorithmen eingestellt sind. So könnten auch nicht rechtswidrige Verhaltensmuster, wie längere Aufenthalte an einem Ort, als Verdachtsmomente in die Algorithmen einfließen.

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DigiTax: Schluss mit den Ausreden

Große Digitalkonzerne erwirtschaften Milliarden in der EU, zahlen aber kaum Steuern. (Symbolfoto) Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Artem Bali Martin Schirdewan ist seit 2017 Europaabgeordneter für DIE LINKE und sitzt in den Ausschüssen für Wirtschaft und Währung (ECON) sowie im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO). Steuerpolitik und im Speziellen die Steuerflucht von Konzernen und Einzelpersonen zählen zu den Schwerpunkten seiner Arbeit. Vor der Zeit als Abgeordneter war Schirdewan unter anderem Leiter der Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Brüssel, Athen und Madrid.

Der Handel mit Daten ist ein lukratives Geschäft, nicht nur für Geheimdienste, sondern vor allem auch für die namhaften Internetgiganten um Google, Facebook, Amazon und Konsorten. Einen Großteil ihrer Wertschöpfung erzielen sie durch die Nutzung, Analyse, Verarbeitung oder Weitergabe personenbezogener Daten. Der Clou dabei ist, dass egal ob diese Daten rechtmäßig oder unrechtmäßig erhoben und gesichert werden: In Anbetracht der astronomisch hohen Gewinne dieser Unternehmen, verlaufen diese Vorgänge in vielen Fällen praktisch nahezu steuerfrei. Ein nicht nur unerhörter Vorgang, sondern auch ein eklatanter Sonderfall in unserem Steuersystem. Es ist vollkommen unverständlich, dass der Handel mit und die Wertschöpfung aus Daten somit weiterhin geringer besteuert wird, als alle anderen Produkte, mit denen Handel getrieben wird. Von staatlicher Seite wird sich dabei allzu oft darauf hinausgeredet, dass der Handel mit (personenbezogenen) Daten doch noch relativ neu sei und sich die Systeme erst anpassen müssten. Das ist natürlich blanker Unsinn und nur verkappte Anbiederung an die betreffenden Unternehmen.

Beim Fall Google geht man beispielsweise davon aus, dass das Unternehmen gerade einmal im niedrigen einstelligen Prozentbereich Steuern auf seine europäischen Gewinne zahlt. Bei den Unternehmen der Digital Economy hat jedoch natürlich Apple den Vogel abgeschossen: mickrige 0,005 Prozent Steuern wurden Apple für seine EU-Gewinne im Jahr 2014 berechnet. Das sind 50 Euro Steuern auf eine Million Euro Gewinn. Spätestens seitdem diese Zahlen im Jahr 2016 öffentlich wurden, ist klar, dass das derzeitige System der Konzernbesteuerung vorne und hinten nicht greift. Die zahlreichen Enthüllungen der letzten Jahre, von LuxLeaks über die Panama- zu den Paradise Papers haben die schmutzigen Steuertricks multinationaler Konzerne offengelegt. Schamlos nutzen diese klaffenden Gesetzeslücken aus, um Gewinne über Ländergrenzen hinweg zu verschieben.

Die Europäische Kommission unterbreitete nun einen Vorschlag für eine Umsatzsteuer auf bestimmte digitale Dienstleistungen, der dem Steuerdumping einen provisorischen Riegel vorschieben soll. Eigentlich ein Schritt in die richtige Richtung zu mehr steuerlicher Gerechtigkeit. Niemand versteht, warum jede Bäckerin oder jeder Blumenhändler um die Ecke mehr Steuern zahlen soll, als Firmen deren Börsenwert mit hunderten Milliarden Euro bewertet werden. Anders sieht dies jedoch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der von einer Dämonisierung von Internetfirmen spricht. Er hat schlicht nicht verstanden, dass die europäischen Gesellschaften von ihrer Politik erwarten, alle Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Google, Apple und Co. sollen genauso wie Lieschen Müller Steuern zahlen – und damit endlich ihren gerechten Anteil am Steueraufkommen leisten.

Natürlich ist die geplante Digitalsteuer nicht das Gelbe vom Ei, da sie z.B. auf den Umsatz und nicht auf den Gewinn von Unternehmen abzielt. Darüber hinaus sind einerseits die hohen Schwellenwerte in Form eines globalen Umsatzes von 750 Millionen Euro und eines EU-weiten Umsatzes von 50 Millionen Euro so hoch, dass nur wenige Konzerne am Ende von der Steuer betroffen wären. Die erwarteten EU-weiten Einnahmen stehen mit fünf Milliarden Euro auch in keinem Verhältnis zu den hunderten Milliarden Euro, die EU-Staaten jährlich wegen der Steuertricks der Multis verlieren. Gleichzeitig ist die Ausgestaltung der Steuer mit so vielen Ausnahme- und Sonderregelungen versehen, dass Digitalunternehmen wie Amazon, Netflix oder Apple unzureichend beziehungsweise gar nicht in die Pflicht genommen werden würden.

Digitale Betriebstätten

Als längerfristige Lösung sieht die EU-Kommission die Einführung einer digitalen Betriebsstätte vor. Dieser Schritt ist in Zeiten der Digitalisierung grundsätzlich begrüßenswert. Der Begriff meint, dass Unternehmen nicht mehr physisch in einem Land vertreten sein müssen, um dort Geschäfte zu machen und wirtschaftlich aktiv sein zu können. Allerdings wird auch dieser Vorschlag ins Leere laufen, solange man an dem schädlichen Prinzip von Verrechnungspreisen festhält. Dieses erlaubt es Konzernen mittels überteuerter Lizenzgebühren und Zinszahlungen, ihre Profite in Steueroasen zu verschieben. Schmutziger Steuertricks bedienen sich schließlich nicht nur datenhandelnde und datenverarbeitende Firmen, so unterhalten beispielsweise alle DAX30 Unternehmen Tochterfirmen in Steueroasen.

Aber wer Netflix, Spotify, Alibaba & Co. eine Sonderrolle zusprechen will, was die Bundesregierung durch ihre Blockadehaltung im Europäischen Rat faktisch macht, geht an den Bedürfnissen unserer Zeit vorbei. Genauso wie wir im Jahr 2019 einen schlagkräftigen Datenschutz benötigen, müssen Unternehmen der Digitalwirtschaft Grenzen im gewinngetriebenen Handel mit (meist personenbezogenen) Daten vorgeschrieben werden.

Der linke EU-Abgeordnete Martin Schirdewan. Alle Rechte vorbehalten Sven Serkis

Weder Facebook, noch Google, Twitter oder Amazon werden derzeit auf den kaufkräftigen Markt der EU verzichten wollen. Den Regierungen der EU stünde deshalb ein bisschen weniger devotes Auftreten gut zu Gesicht. Klipp und klar sollte die Ansage lauten: Zahlt Eure Steuern oder verzichtet auf den Handel mit und die Verarbeitung von Daten aus der EU. Dass ein solches Auftreten natürlich von einer Politik flankiert werden müsste, die europäische Start-ups und eine digitale, öffentliche Infrastruktur innerhalb der EU vorantreibt, steht außer Frage. Doch auch hier: Es braucht nicht die Ideen oder das nötige Geld, beides ist da. Es braucht einzig den politischen Willen um solch grundlegende Veränderungen umzusetzen. Diesen aber nicht an den Tag zu legen und sich im 20. Jahrhundert zu verstecken, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Ebenso wie bei der DSGVO wäre hierfür ein EU-weiter Ansatz, bei dem alle 27 Mitglieder gemeinsam ein Zeichen setzten und sich nicht gegenseitig untergraben, begrüßenswert. Aber, wenn dies nicht gelingt, sollten die einzelnen Staaten wenigstens eine Lösung finden um den Druck auf die anderen Länder zu erhöhen. So stünden allein in Deutschland mindestens 500 Millionen Euro jährlich zur Verfügung, die dringend in Bildung und Infrastruktur fließen könnten. Und wir reden hier wir noch nicht über die Steuerflucht der Unternehmen oder Superreichen, Stichwort: Cum-Ex und Cum/Cum-Geschäfte. Besteuert werden müssen hier nicht die Daten an sich, sondern die Gewinne der mit EU-Daten Handel treibenden Unternehmen.

Gerechte Besteuerung aller Unternehmen

Wer eine tatsächlich gerechte Besteuerung von Konzernen fordert, muss das internationale Steuersystem vom Kopf auf die Füße stellen. Gewinne dürfen nicht mehr dort besteuert werden, wo eine Firma ihre Briefkästen hat, sondern dort, wo deren reale ökonomische Aktivität stattfindet. Multinationale Unternehmen müssen steuerlich endlich als das angesehen werden, was sie sind: Eine globale Einheit und nicht unabhängig voneinander agierende Teile.

Obwohl dringend notwendig, wird es, selbst optimistisch betrachtet, noch Jahre dauern, bis diese Änderungen auf internationaler Ebene beschlossen werden. Zu divers ist hierzu momentan die Interessenlage. Deshalb sollten große Länder wie Deutschland auch nicht davor zurückschrecken, in der Zwischenzeit nationale Abwehrmaßnahmen gegen die Gewinnverschiebung einzusetzen. So könnte Deutschland problemlos mit der Erhebung von Quellensteuern auf Finanzflüsse in Steuersümpfe beginnen. Gleichzeitig muss die Bundesregierung ihre Blockade gegen mehr Transparenz von Konzernzahlen auf EU-Ebene aufgeben. Wäre öffentlich bekannt, wo Unternehmen einen Großteil ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten durchführen und wo sie ihre Gewinne und Steuern verbuchen, wäre deren Steuertrickserei sofort ersichtlich.

Relativ schnell umsetzbare Vorschläge, um dem internationalen Steuerdumpingwettbewerb Einhalt zu gebieten, liegen also auf dem Tisch. Sie müssen nur noch umgesetzt werden. Als größte Volkswirtschaft der EU und viertgrößte weltweit, trägt Deutschland hier besondere Verantwortung. Anstatt einseitig die Interessen der Konzerne zu verteidigen, sollte die Bundesregierung eine Vorreiterrolle für ein gerechteres Steuersystem einnehmen. Mit einem Ende der Blockade gegen mehr Konzerntransparenz und einem Einsetzen für eine Digitalsteuer wäre schon ein erster Schritt getan.

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EU-Urheberrecht: Verhandler meißelten Uploadfilter in Stein

CC-BY-SA 2.0 Steven Lilley Die Reform des EU-Urheberrechts steht nach monatelangen Verhandlungen vor dem Abschluss. Verhandler in Straßburg einigten sich nach Angaben der EU-Kommission auf einen endgültigen Reformtext. Der gemeinsame Vorschlag von EU-Staaten, Kommission und Parlament schreibt  Internetseiten und Apps vor, von Nutzerinnen und Nutzern hochgeladene Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Praktisch allen Plattformen, die Nutzerinhalte hosten, droht damit die Pflicht, Uploadfilter einbauen zu müssen.

Die Reform sollte eigentlich das Urheberrecht fit für das 21. Jahrhundert machen. Doch leider dominierten die Rechteinhaber-Lobby und große Tech-Firmen den Prozess. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf enthält Vorschläge, die aus Sicht von Vertretern der Zivilgesellschaft und Netzaktivisten eine Gefahr für die Meinungsfreiheit im Internet darstellen.

Uploadfilter und Leistungsschutzrecht

Uploadfilter sind der umstrittenste Teil der Reform: Betreiber von Internetplattformen müssen nach Artikel 13 des Vorschlags jedes von Nutzern hochgeladene Bild, jede Tonaufnahme und jedes Video vor der Veröffentlichung prüfen. Das gilt für Webseiten oder Apps, die von Nutzern erstellte Inhalte anbieten. Erfüllen lässt sich die Verpflichtung nur mit Filtern, die für kleine Anbieter teuer und schwer umsetzbar sind und bei den großen Plattformen fälschlicherweise Inhalte aus dem Netz fegen .

Der Text nimmt auf Vorschlag von Deutschland und Frankreich lediglich Plattformen aus, die die jünger als drei Jahre sind, weniger als 10 Millionen Euro Umsatz machen und weniger als 5 Millionen Besucher pro Monat haben. Damit sind selbst viele kleine Unternehmen und Organisationen von der Filterpflicht betroffen, klagte die Piraten-Abgeordnete Julia Reda nach Verkündung der Einigung.

Artikel 11 erweckt mit der Vergütungspflicht selbst auf kurze Anreißertexte einen politischen Zombie zum Leben, das Leistungsschutzrecht. Die Verlagslobby will sich damit einen Anteil an den Werbeeinnahmen sichern, die Google mit Werbung neben Links verdient. Die Maßnahme nutzt vor allem großen Verlagshäusern: Einer Berechnung zufolge würde bei Einführung des EU-Leistungsschutzrechts 64 Prozent der Einnahmen in Deutschland allein an den Axel-Springer-Verlag gehen. Google droht indes mit dem Ende von Google News in Europa.

Die Reform bringt freilich auch einige klare Verbesserungen. Künftig ist klar geregelt, dass durch originalgetreuen Vervielfältigungen gemeinfreier Werke keine neuen Rechte entstehen. Das erleichtert die Einbindung solcher Werke auf Wikipedia, schrieb die Wikimedia-Stiftung in einem Blogbeitrag . Zudem wird der Zugang zu vergriffenen Werken erleichtert, in dem Verwertungsgesellschaften für die Rechteinhaber handeln dürfen.

Netzaktivisten und einige Politiker zeigten sich trotzdem enttäuscht über den verhandelten Text. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken kritisierte die Entscheidung zu verpflichtenden Uploadfiltern. Der Koalitionsvertrag seiner Partei mit der Union habe die Filter noch als unverhältnismäßig abgelehnt. Es sei „völlig unverständlich“, warum sich die Regierungsmitglieder von CDU und CSU nicht stärker gegen Filter eingesetzt hätten. Wütende Youtuber ließen als Protest den Hashtag #NieMehrCDU trenden.

Die Reform muss nun noch eine letzte Hürde nehmen: In wenigen Wochen stimmt das Europaparlament über den endgültigen Text ab. Julia Reda und andere Gegner der Uploadfilter drängen auf eine Ablehnung der ganzen Reform. Das ist möglich, allerdings ist die Ablehnung eines von allen drei EU-Institutionen (Rat, Kommision, Parlament) ausverhandelten Textes sehr ungewöhnlich.

Googles Werk und Springers Beitrag

Der Gesetzestext zur Urheberrechtsreform ist Ergebnis jahrelangen Tauziehens. Anstoß für die Reform war ein Vorschlag des damaligen EU-Digitalkommissars Günther Oettinger, einem CDU-Politiker mit guten Kontakten zu Lobbyisten und der Industrie . Schon im Erstentwurf legte die Kommission das klare Ziel fest, die Position der Presseverlage und anderer Rechteinhaber zu stärken. Auf zeitgemäße Ideen wie einem Recht auf Remix und großzügige Ausnahmeregeln für nichtkommerzielle Verwendung von Inhalten verzichteten die Vorschläge hingegen.

Zu den Gegnern der Reformvorschlägen zählen Google und Facebook. Die Internetkonzerne setzen selbst bereits Uploadfilter ein, dennoch warnten sie vor Artikel 13. Strengere Haftungspflichten, wie sie der Paragraph vorsieht, würden Google zwingen, für fast alle Inhalte auf seiner Plattform Lizenzen zu erwerben. Das könnte den Konzern Milliarden kosten.

Im Lobby-Kampf gegen Artikel 13 verbreiteten die Internetkonzerne, insbesondere Google, die Kritikpunkte der Netzaktivisten. Das ließ Vorwürfen der Vereinnahmung aufkommen. Dennoch kämpften Gegner der Uploadfilter einen größtenteils erfolglosen Abwehrkampf.

Schlüsselfigur: CDU-Mann Voss

Axel Voss freut sich CC0 Wikimedia

Die Befürworter der Vorschläge konnten indes auf eine starke Stimme vertrauen: Wichtigster Freund der Rechteinhaber im EU-Parlament ist der Abgeordnete Axel Voss. Der CDU-Politiker schrieb als Berichterstatter den Gesetzesvorschlag des Parlaments. Dabei blieb er nahe an Ideen der Musik- und Verlagslobby. Selbst seine Kritik am letzten Ratsvorschlag für den fertigen Text war praktisch Wort für Wort von einem Text des Bertelsmann-Verlages abgekupfert, wie eine Bericht von golem.de aufzeigt . An der harten Haltung von Voss änderten auch zaghafte Einschübe von CSU-Digitalisierungsstaatsministerin Dorothee Bär nichts, die an die Kritik an Uploadfiltern im Koalitionsvertrag erinnerte.

Voss erfüllte einen zentralen Wunsch der Presseverlage: Das Leistungsschutzrecht, auf das Axel-Springer-Verlagschef Mathias Döpfner immer wieder lautstark gedrängt hatte .

Der fertige Text ist das Ergebnis diesen Lobbyings. Das Urheberrecht der Europäischen Union ist nun auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte ganz und gar nach dem Maßstab der Rechteinhaber gestaltet.

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